Herr Schuster, am Montag fand zum ersten Mal nach der Schoa in Würzburg eine Rabbinerordination statt. Was bedeutet das für die Stadt und die jüdische Gemeinde?
Für uns wurde damit ein Traum wahr, den vor 25 Jahren niemand zu träumen gewagt hat. Auch noch, als wir 2006 das neue Gemeindezentrum eingeweiht haben, dachten wir an vieles, was hier einmal stattfinden könnte, aber bestimmt nicht an eine Rabbinerordination. Nun wurde sie Realität. Das ist nicht nur für mich, sondern für die gesamte Gemeinde ein ganz besonderer Moment gewesen.
Hat die Rabbinerordination über Würzburg und die Gemeinde hinaus auch überregionale Bedeutung?
Selbstverständlich, denn hier zeigt sich die Entwicklung jüdischen Lebens in Deutschland. Unser Gemeindezentrum nennt sich »Shalom Europa«, es macht sichtbar, dass jüdisches Leben wieder ein fester Bestandteil der Region und der Stadt ist. Es wirkt mit seinen Gästen aus ganz Deutschland und Europa aber auch weit darüber hinaus. Und das wurde mit der Ordinationsfeier an diesem Montag nochmals deutlich.
Die Rabbiner nehmen nun ihre Tätigkeiten in den jüdischen Gemeinden von Bonn und Chemnitz auf. Wie bewerten Sie es, dass die beiden schon feste Anstellungen hatten, noch bevor Sie offiziell ihre Smicha erhielten?
Das ist der Idealfall. Und andere Gemeinden warten schon sehnsüchtig darauf, dass weitere Rabbiner ordiniert werden. Das zeigt, welcher Bedarf an rabbinischen Persönlichkeiten in Deutschland weiterhin besteht. Synagogen sind der Mittelpunkt einer Gemeinde. Und die Synagogen sollten nicht nur mit Gläubigen, sondern eben auch mit geistigen Führungspersönlichkeiten besetzt sein.
Sie haben die Ordination nicht nur als Gemeindevorsitzender, Landesverbandspräsident oder Zentralratsvizepräsident erlebt, sondern nun auch als Kandidat für das höchste Amt des Zentralrats. Was hat Sie dazu bewogen, die Kandidatur für die Präsidentschaft zu erklären?
Als Vizepräsident habe ich in den vergangenen Jahren in der Zusammenarbeit mit dem bisherigen Präsidenten Dieter Graumann erleben können, welch positive Entwicklung der Zentralrat genommen hat. Der Zentralrat ist personell erweitert worden, er ist heute ein jüdisches Kompetenzzentrum. Dieter Graumann hat immer auf die Zukunftsperspektive der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland Wert gelegt, und seine und meine Einstellung sind nicht nur in dieser Frage sehr ähnlich. Mir ist persönlich daran gelegen, dass seine sehr erfolgreiche Arbeit in diesem Sinne weitergeführt wird. Und da wir in den Gedanken und Meinungen, die wir zur jüdischen Arbeit in Deutschland haben, fast immer übereinstimmen, habe ich mich nun dazu entschlossen, für das Amt zu kandidieren. Ich möchte mitwirken, diese sehr positive Entwicklung des jüdischen Gemeindelebens in Deutschland weiterzuführen.
Mit dem Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden sprach Detlef David Kauschke.