Im Hubert-Burda-Saal besuchten am 15. Dezember zahlreiche Mitglieder der Kultusgemeinde die alljährliche Mitgliederversammlung. Nach der Begrüßung durch Präsidentin Charlotte Knobloch gedachten alle Anwesenden zunächst der in diesem Jahr Verstorbenen. Ein Gruß mit Genesungswünschen ging an all diejenigen, die krankheitsbedingt nicht an der Versammlung teilnehmen konnten.
Der Rückblick von Präsidentin Knobloch richtete sich in ihrer Berichterstattung sowohl auf allgemeine Ereignisse, die das jüdische Leben betrafen, als auch auf gemeindeinterne Angelegenheiten. Große Sorgen bereiten der IKG die wachsenden antisemitischen Tendenzen.
sicherheit Das Ergebnis einer Online-Umfrage der EU-Agentur für Grundrechte verdeutliche zum Beispiel, dass sich 75 Jahre nach der Reichspogromnacht viele Juden in Europa wieder zunehmend Sorgen um ihre Sicherheit machten, berichtete Knobloch. Fast die Hälfte der befragten jüdischen Bürger hat in der Studie angegeben, dass nach ihrer Wahrnehmung der Antisemitismus in den vergangenen fünf Jahren stark zugenommen hat.
Diese Tendenz gelte nicht nur für Ungarn und Osteuropa, stellte Charlotte Knobloch fest. Besonders groß seien die Sorgen auch unter den französischen Juden. »Und in Deutschland sind es noch 32 Prozent der Befragten, die eine deutliche Zunahme der Ressentiments beklagen. Antisemitismus ist wieder salonfähig. Immer öfter wird er offen und ungeniert geäußert – und zwar in allen Schichten der Gesellschaft.«
hass Zu den gängigen antisemitischen Topoi in Deutschland und Europa komme zudem immer massiver und bedrohlicher die Judenfeindlichkeit unter den in der Bundesrepublik lebenden Muslimen hinzu. Als Ursache dafür benannte Knobloch den bei Muslimen verbreiteten Hass auf Israel. Es erschrecke sie, wie wenig Politik und Sicherheitsbehörden unternähmen, um die antisemitische Propaganda in Moscheen und muslimischen Institutionen zu unterbinden, bekannte sie.
Besonders erschreckend sei das Maß an Hass und Menschenverachtung bei Darstellungen im Internet, die an Widerlichkeit und Bösartigkeit kaum zu übertreffen seien – teils anonym, teils offen geäußert. Ausländische Server und Urheber sowie das generell unzureichende Internetrecht in zivil- wie strafrechtlicher Hinsicht erschwerten die Fahndung nach den Tätern und die Ahndung der Delikte, so Knobloch.
Auch aus diesem Grund wünschte die Präsidentin sich eine stärkere Medienschulung für Kinder und Jugendliche, ebenso wie eine Verbesserung der sozialkundlichen und demokratietheoretischen Didaktik im deutschen Bildungssystem. Dies sei dringend erforderlich, auch um den Zulauf zu rechtspopulistischen Parteien und Bewegungen zu stoppen.
Europawahl Laut einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. hätten sich die Rechtspopulisten inzwischen fast überall in Europa als relevante politische Kräfte etabliert und machten ihren Einfluss im jeweiligen Heimatland und auf europäischer Ebene geltend, konstatierte Knobloch. Bereits bei der Europawahl im Mai 2014 könnten rechtsextreme Parteien zu einer maßgeblichen Größe im neuen Europaparlament werden.
Auch wenn Deutschland in diesem Punkt noch eine Ausnahme bilde, könne sich dies schnell ändern, warnte Charlotte Knobloch. Auch das von ihr immer wieder geforderte NPD-Verbot werde zwar zu einer gewissen Hygiene des politischen Systems führen, aber mitnichten zu der Beseitigung des braunen Gedankenguts. So forderte sie nicht nur »das Verbot der NPD, sondern auch des Freien Netzes Süd und aller rechtsextremistischen Kameradschaften, die sich dem Kampf gegen unser System verschrieben haben«.
Knobloch begrüßte im Weiteren den Vorsatz der Bayerischen Staatsregierung, »dass auch künftig – nach Auslaufen der Urheberrechte im Jahr 2015 – wohl doch jegliche Veröffentlichung von Mein Kampf verhindert werden soll«. Denn, so ergänzte sie: »Hitlers Hetzschrift war und ist volksverhetzend. Nie wieder soll es den Geist unserer Mitmenschen prägen und neues rechtes Gedankengut schüren.«
Ein weiterer Aspekt, der die Präsidentin stets tief bewegt, ist Israel: »Wir lassen es nicht zu, dass Israel verunglimpft und delegitimiert wird – nicht in den Medien, nicht in der Politik und auch nicht in der sogenannten intellektuellen Szene«, betonte sie. Deshalb forderte sie »auf allen gesellschaftlichen Ebenen eine angemessene, verhältnismäßige und faire Thematisierung Israels – sei es in der Politik, im Schulsystem oder im öffentlichen und medialen Diskurs«.
karitativ Für ihren Einsatz für Israel dankte die Präsidentin verschiedenen Organisationen, die dazu beitragen, ein objektives Israelbild zu vermitteln und mit Fundraising-Aktionen notwendige Mittel für verschiedene Projekte zu sammeln. In München ist dies einmal mehr die WIZO, der Knobloch dankte: »Ich bin sehr glücklich, dass es so viele engagierte und couragierte Frauen gibt, die sich mit unerschöpflichem Einsatz der karitativen Arbeit für Israel und die Menschen widmen.«
Knoblochs Anerkennung galt auch Hadassah und deren Direktor Gady Gronich: »Sie haben in diesem Jahr wieder besondere Akzente gesetzt. Sie transportieren ein sensationelles Bild von Israel, dem Land, das wir lieben. Und Sie sammeln neue Freunde für dieses Land und seine Menschen.«
Das gilt auch für Keren Hayesod mit David Leschem, den Knobloch als »großartigen Freund und wichtigen Partner« ansprach. Einen wichtigen Beitrag zur Vermittlung jüdischen Lebens leistet auch Rachel Salamander mit ihrer Literaturhandlung. Die Präsidentin bezeichnete sie als »eine herausragende menschliche Persönlichkeit. Ohne Sie wäre München ärmer, ohne Sie wäre Deutschland ärmer und ohne Sie wäre unsere Gemeinde ärmer.«
Der jüdischen Kultur widmet sich auch eine Abteilung der IKG selbst – nach innen wie nach außen: das Kulturzentrum unter Leitung von Ellen Presser. »Sie ist die beste Botschafterin für jüdische Kultur«, dankte Charlotte Knobloch ihr und ihrem Team. Das gelte neben dem Vortragsprogramm auch für Pressers Synagogenführungen. Dazu komme der Erfolg des von ihr und Monica Langnas initiierten Frauenschiurs.
Mit einem erweiterten Schiurim-Programm werde künftig das Rabbinat alle Gemeindemitglieder bei ihrem jeweiligen Wissensstand abholen, sagte die Präsidentin. Das Rabbinat sei »der Wesenskern unserer Gemeinde. Mehr als alles andere sind wir eine Religionsgemeinschaft, nicht mehr und nicht weniger«. Entsprechend galt allen Angehörigen des Rabbinats ihr besonderer Dank für deren steten Einsatz für das Gelingen des religiösen Lebens in der Gemeinde.
engagement Der hohe Standard, den die Gemeinde ihren Mitgliedern biete, könne nur dank des Engagements aller Mitarbeiter geboten werden, erklärte die Präsidentin. Deshalb dankte sie allen »für ihr Engagement zum Wohle unserer Gemeinde und ihrer Mitglieder«: Geschäftsführung und Verwaltung sowie allen anderen Abteilungen vom Kindergarten über Schule und Jugendabteilung bis hin zum Seniorenheim, Sozialabteilung und den zahlreichen ehrenamtlichen Mitarbeitern des Hauses.
Neben diesen Abteilungen des Hauses tragen zum Gelingen auch Vereine wie Maccabi, ZO und ZJD, der Frauenverein Ruth, der Studentenverband und so manche Einzelinitiative auf ganz unterschiedlichen Ebenen bei. Ihnen allen dankte die Präsidentin: »Seien Sie sicher: Ich weiß Ihrer aller Arbeit zu schätzen.«