»Hot, Hip & Holy« steht auf dem gelben, über und über mit bunten Blumen bemalten Bus der Künstlerin Anna Adam. Ein heiliger Bus – eine Provokation? »Aber nein«, beteuert Adam mit unschuldigem Augenaufschlag, »schließlich haben wir eine Tora an Bord und sogar eine Mikwe.«
So ganz für bare Münze sollte man indes nicht alles nehmen, was die freischaffende Künstlerin aus Berlin in ihrem »Happy Hippie Jew Bus« präsentiert. Schließlich beschreibt sich Adam selbst als Clown: »Überspitzte Satire ist eine Methode, um Angst abzubauen«, sagt sie. Eine Angst, die sie als »deutsch-jüdische Krankheit« bezeichnet: »Als jüdische Deutsche erlebe ich nichtjüdische Deutsche oft als verklemmt«, berichtet die Künstlerin. Häufig seien die Reaktionen der Nichtjuden unfreiwillig komisch: »Sie sind Jüdin? Das tut mir aber leid!«
Humor Anna Adam entschied sich, das schwierige Verhältnis mit Humor zu entkrampfen. Ihr »Happy Hippie Jew Bus«, der am Montag und Dienstag für die Jiddische Musik- und Theaterwoche in Dresden Station machte, ist deshalb mit allerlei Witzigem und Skurrilem ausgestattet: Die Tora besteht aus Plüsch und ist in einem geblümten Schrank untergebracht. Die Mikwe ist eine kleine Vertiefung im Boden des Busses.
Im hinteren Teil des Fahrzeugs thront ein Buddha mit Kippa auf dem Kopf und Davidstern um den Hals. Ein Verweis auf die »Bu-Jews«, Juden, die in der Hippie-Ära Erleuchtung in indischen Aschrams suchten. Drei Rollen Toilettenpapier – für Milchiges, Fleischiges und Sonstiges – illustrieren das Thema Kaschrut einmal ganz anders: »Wie schon Helmut Kohl sagte: Entscheidend ist, was hinten raus kommt«, sagt Anna Adam munter.
Fragen Das Skurrile ist für die 48-Jährige aber kein Selbstzweck. Sie sieht den Bus als soziale Plastik, als Kunstobjekt, das eben doch provozieren soll. Der Witz dient Adam als Türöffner, um ernsthaft über das Judentum ins Gespräch zu kommen, Klischees zu entlarven, Fragen zu beantworten. Dabei erhält die Künstlerin Unterstützung von der Kantorin Jalda Rebling. Die Expertin für jüdische Musik und Traditionen kennt sich im orthodoxen Judentum ebenso gut aus wie in den anderen Formen des Glaubens.
»Die liebsten Besucher sind uns diejenigen, die Lust daran haben und sich trauen, zu diskutieren«, sagt Anna Adam. Besonders häufig werde sie gefragt, ob sie sich sicher fühle, ob sie keine Angst habe, mit ihrem auffälligen Bus durch Deutschland zu touren. Zu Angriffen sei es jedoch noch nie gekommen, berichtet die Künstlerin: »Dazu treten wir viel zu selbstbewusst auf. Das traut sich keiner.«
Stattdessen bekommt der »glückliche Bus« an jedem Stopp neue Blumen aufgemalt. Kinder finden es klasse, sich mit wasserfesten Stiften auf dem gelben Lack zu verewigen. Es sind vor allem die jungen Besucher, die sich dem knallbunten Gefährt und seinen Pilotinnen ohne Scheu zuwenden. »Ist die echt?«, fragt ein kleiner Junge, als Jalda Rebling die Tora hervorholt. »Ja, eine echte Plüsch-Tora«, versichert die Kantorin. »Und was passiert, wenn man sie aufmacht?«, fragt der Kleine weiter. »Dann fällt die Füllung raus«, antwortet Rebling trocken. Im »Happy Hippie Jew Bus« hat die Wahrheit letzten Endes eben doch mehr Gewicht als der Witz.
Programm Weitere »Begegnungen mit jüdischem Leben« ermöglicht die Jiddische Musik- und Theaterwoche in Dresden noch bis zum 6. November. Am Donnerstag, 3. November, treten im Liveclub »Tante JU« Daniel Kahn und Psoy Korolenko mit ihrem Programm »Die Unternationale« auf. Sie spielen Remakes von Liedern der traditionellen jüdischen Arbeiterbewegung.
In der Festveranstaltung »15 Jahre Jiddische Musik- und Theaterwoche« am 5. November um 15 Uhr im Theaterhaus Rudi werden Ausschnitte aus früheren Rocktheaterproduktionen gezeigt. Am gleichen Tag um 21 Uhr heißt es in der Scheune »Jiddisch groovt!«. Jewdyssee und DJ Shico machen jiddische Klassiker tanzbar.
Am Sonntag, 6. November, ab 12 Uhr lädt das Gemeindezentrum der Jüdischen Gemeinde zum »Tag der Offenen Tür« mit Führungen, Kindertheater, Vorträgen und koscheren Köstlichkeiten.
Anlässlich des Festival-Abschlusskonzerts, ebenfalls am 6. November um 17 Uhr in der Synagoge, präsentiert »Bluer than Blue – bloyer fun blo« jiddische Lieder aus den Jahren 1939 bis 1945. Die jiddische Sängerin Urszula Makosz gestaltet diesen Liederzyklus gemeinsam mit den Musikern Christian Dawid, Michal Póltorak und Pawel Pierzchala.