So unterschiedlich die Gedenkstunde in der Ohel-Jakob-Synagoge und die sich unmittelbar daran anschließende Geburtstagsfeier zum 69-jährigen Bestehen des Staates Israel im Gemeindezentrum auf den ersten Blick erscheinen mögen, so groß sind auch die Gemeinsamkeiten. Jom Hasikaron und Jom Haazmaut gehen schließlich nicht zufällig fließend ineinander über. Ein verbindendes Glied zwischen dem Gedenken an die gefallenen Soldaten und zivilen Terroropfer und der zu Recht gute Laune versprühenden Geburtstagsfeier war gleichermaßen präsent: der Traum von Israel, der Heimat für Juden aus der ganzen Welt.
In der gemeinsamen Gedenkstunde der Israelitischen Kultusgemeinde, dem Israelischen Generalkonsulat und Torah MiTzion waren die Gedanken der Synagogenbesucher, darunter eine ganze Reihe von IKG-Vorstandsmitgliedern, nicht nur von Trauer und Respekt bestimmt. »Wir verneigen uns vor ihnen. Diese Menschen ließen ihr Leben für den Staat Israel, für den Glauben an Gerechtigkeit, für Freiheit, für die Überzeugung, das Richtige zu tun, für die Liebe zu ihrer Heimat und zu Israel als der Lebensversicherung für Juden in aller Welt. Sie haben ihr Leben für einen Traum gegeben, für unseren Traum«, sagte IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch tief bewegt.
Traum Zwei Stunden später und nur einen Steinwurf von der Synagoge entfernt, im Gemeindezentrum, wurde der Beginn des Traums vor 69 Jahren gefeiert. Anat Rajber, die Organisatorin der Geburtstagsfeier, hatte das Motto ausgegeben, das sich dann auch in den Outfits der Besucher deutlich niederschlug: »Israel of Gold«. Nicht golden, aber genauso glänzend war die Stimmung der Partygäste, die musikalisch von der »Mandarin Band« aus Israel bestens unterhalten wurden; für das Catering sorgte das Restaurant »Einstein«, dessen Leiter Karl-Heinz Fichtner bis weit nach Mitternacht gut beschäftigt war.
Gründe, den Staat Israel zu feiern, die zur Wirklichkeit gewordene Vision, gibt es zur Genüge. Daran erinnerte die IKG-Präsidentin in ihrer Eröffnungsrede. Israel sei vielleicht der pluralistischste Ort der Welt, der kreativste, fantasiereichste, effektivste und der innovativste. Israel sei das Land des Fortschritts, der besten Ideen und der größten Chancen. »Und Israel«, erklärte sie, »lebt von der Liebe seiner Menschen, die in den letzten 69 Jahren Herausragendes geleistet haben – unter extremen Bedingungen.«
Das »Wir sind Israel«, das in der Gedenkstunde für die toten Soldaten sowie die Opfer von Terror eine stets präsente Komponente war, galt auch bei der Geburtstagsfeier – und es gilt im alltäglichen Leben, wie Charlotte Knobloch feststellen musste: »Wir wehren uns, so wie es die Menschen in Israel tun müssen. Tag für Tag. Wir kämpfen, so wie die Menschen in Israel kämpfen müssen. Wir müssen zum Glück nicht um unser Leben bangen. Aber sehr wohl um unsere Belange. So wie Israel der einzige freiheitliche demokratische Staat ist, dessen Existenz nicht nur ständig bestritten und infrage gestellt wird, sondern auch andauernd bedroht ist, so sind auch wir ständig aufgefordert, uns zu verteidigen und zu rechtfertigen. Das ist infam und inakzeptabel.«
Entwicklung Geburtstage geben Anlass zum Feiern, sie dienen aber auch gern dazu, eine Bilanz zu ziehen, den Status quo festzustellen. Ein Phänomen, das für Charlotte Knobloch die aktuelle politische und gesellschaftliche Entwicklung widerspiegelt, ist der Antizionismus, der Israelhass, der immer mehr Widerhall finde, auch in den Kirchen, in der Politik und anderen Bereichen, wie sie ausführte.
Was Charlotte Knobloch besonders irritiert: »Die Hetze wird immer unverfrorener, immer herablassender, immer gehässiger.« Und sie beschreibt die Bedrückung auslösende Phalanx, mit der sich die jüdische Gemeinde konfrontiert sieht: »Wir erleben die bösartige BDS-Bewegung, den Antisemitismus der Rechten, der mit Pegida und der AfD neue Gesichter bekommen hat, den ausgeprägten Judenhass unter bestimmten Teilen der Muslime in Deutschland.«
Die IKG-Präsidentin machte allerdings eines auch deutlich: »Nie wieder werden wir schweigen, wenn wir angefeindet werden. Nie wieder werden wir wehrlos sein, wenn wir angegriffen werden. Nie wieder werden wir abhängig sein. Wir haben Israel, dieses kleine, wunderbare Land, dieses Wunder.« Dass dies dann doch ein angemessener Grund zum Feiern war, darin waren sich alle Gäste einig.