Das Küchenbuffet im Antikstil hat sie auf dem Flohmarkt entdeckt, die Kuckucksuhr stammt aus ihrer alten Heimat, die Matrjoschkas hinter dem Glasfenster im Schrank und das Bergbild an der Wand sind Geschenke.
Wenn Ingrid Barth einen der Aufenthaltsräume des Kölner Elternheims zeigt, wird schnell klar, dass die neue Leiterin hinter ihren Ideen steht. »Biografisches Arbeiten« nennt es die Altenpädagogik, wenn man eine gemütliche Wohnzimmeratmosphäre mit kollektiven Erinnerungsstücken im Heim schaffe, der an ein Zuhause erinnere, erklärt sie.
Seit dem 1. Juli ist die 41-jährige Ingrid Barth allein verantwortlich für das 40-köpfige Team, das sich um die 71 Bewohnerinnen und Bewohner des Elternheims kümmert. Anfang Februar begann sie ihre Einarbeitung, damals noch unter der Leitung von Dalia Rado, die im Sommer in den Ruhestand ging.
eingebettet »Ich habe ein wunderbares Haus vorgefunden, das in die Gemeinde eingebettet ist«, freut sich die examinierte Krankenschwester, die in Berlin Pflegemanagement studiert hat. Sie bringt bereits langjährige Erfahrung in der Leitung von Senioreneinrichtungen mit. An der neuen Aufgabe reize sie die multikulturelle Herausforderung und das Leben in jüdischer Tradition.
»Das Elternheim als ein Bestandteil des Wohlfahrtszentrums mit Schule, Kindergarten und Sozialabteilung, das ist für mich eine kleine Gemeinschaft in der großen Stadt.« Für Barth ist das Elternheim nicht isoliert. Bewusst wolle sie die Nähe zu den anderen Einrichtungen suchen und das Miteinander der Generationen beleben.
»Der Pflegebedarf wird höher, und die Demenz nimmt zu.« Die gegenwärtige Situation der Altenpflege, zusammengefasst in dieser einen Aussage, stellt das Kölner Elternheim – wie bundesweit alle vergleichbaren Einrichtungen – vor immer neue Herausforderungen. Hier sieht Barth Gestaltungsbedarf für die Zukunft. Die Pflege verändere sich. »Der beginnende Pflegenotstand macht sich schon bemerkbar, gerade weil wir Fachkräfte brauchen, die zweisprachig sind.«
Gutes Personal zu gewinnen und das jetzige Personal zu halten und zu fördern, lautet eines der Vorhaben von Ingrid Barth. Um das zu ermöglichen, will sie für regelmäßige Fortbildungen sorgen, Supervision und Teamcoaching ausbauen und auch etwas für die körperliche Entlastung der Mitarbeiter anbieten. So verhandelt sie gerade über Präventionsmaßnahmen wie Rückenschulungen. »Nicht nur unsere Bewohner müssen gepflegt werden, sondern auch unser Personal.«
Strukturen Im Interview mit der Gemeindezeitung zu ihrem Amtsantritt hatte die neue Heimleiterin einen schönen Satz gesagt, der wohl immer wieder von der Realität herausgefordert werden wird, aber eine wichtige Intention hervorhebt: »Mein Ziel ist, das Leben im Alter so angenehm wie möglich zu machen.« Ein Großteil der Bewohner sind pflegebedürftig, der Demenzbereich nimmt zu. Gerade hier will Barth noch mehr auf Alltagsorientierung mit einer klaren Tagesstrukturierung achtgeben.
Auch die Farb- und Raumgestaltung gehöre dazu. Ein Schwerpunkt sei es, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu fördern, auch in Anknüpfung an das frühere Leben. »Vertraut ist ja zum Beispiel, dass man sich die Schürze umbindet und dann mit dem Kochen beginnt.«
Solche hauswirtschaftlichen Tätigkeiten verstärkt in das Alltagsprogramm hineinzubringen, gehöre zum Beschäftigungsprogramm wie Gartenarbeit oder der Umgang mit Tieren. Ingrid Barth hat noch andere Pläne: »Für die Bewohner, die noch sehr rüstig sind, möchte ich zum Beispiel die neue Technik in Form von iPads ins Haus holen.« Fertigkeitsspiele auf dem Touchscreen, Sinnesanregung auf neue Art. Für dieses Vorhaben sucht sie gerade Sponsoren.
Anforderung Eine besondere Herausforderung sieht die Heimleiterin darin, russischsprachige Zuwanderer, die einen Großteil der Bewohnerstruktur ausmachen, zu integrieren. Die Zweisprachigkeit des Personals ist hier besonders wichtig. Sie selbst hat einen »Grundwortschatz Russisch« im DIN-A2-Format hinter dem Schreibtisch hängen. »Ich versuche, Russisch zu lernen, aber es ist sehr schwer«, umschreibt sie ihre ersten Versuche mit der neuen Sprache.
Nachhilfe Die Arbeit im Elternheim – ihre Vielfalt und die damit verbundenen Anforderungen an Sprache und Kultur – vergleicht Ingrid Barth gern mit einer Weltreise. Inhaltliche Gestaltung und Ausstattung sind von der jüdischen Tradition geprägt, russische Elemente bestimmen den Alltag mit, und Kölner Einflüsse seien natürlich auch nicht zu vergessen.
Barth selbst hat keinen jüdischen Hintergrund – sie ist katholisch und arbeitet sich gerade in die jüdischen Traditionen und Inhalte ein. Das Buch Wie Juden leben liegt immer griffbereit. Ein Maschgiach unterstützt sie in der Einhaltung der Kaschrut. Das Rabbinat steht jederzeit für Auskünfte zur Verfügung. »Mein Start in Köln war während der Jüdischen Kulturtage in NRW, da habe ich sehr viel mitgemacht bei diesem wunderbaren Programm.«
Einrichtung So ganz fertig eingerichtet ist Ingrid Barths Büro, von dem aus sie in den Garten des Wohlfahrtszentrums schauen kann, noch nicht. Aktenordnern stehen auf dem Boden. Großflächige, auffallend schöne Blumenbilder sind nur an die Wände gelehnt. Sie sollen im Elternheim aufgehängt werden. Gerade kam die Post mit den Bildleisten.
Auch zwei Kartons mit Sammelstücken warten auf ihren Einsatz. Barth möchte mit den russischen Gegenständen das Elternheim dekorieren. Eine rosa Orchidee ist in ihrem Büro der einzige Blickfang. »Mein Büro ist nicht so wichtig, wichtig ist das Elternheim«, sagt sie im weichen badischen Akzent ihrer Heimat Uhldingen-Mühlhofen am Bodensee, und lacht.