Mit einem Balkon könnte man zu Pessach wenigstens ein Problem lösen – das findet zumindest Jochen Fahlenkamp, Kantor der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Denn dort könne man alle Chamez vorübergehend lagern. »Leider hat unsere Wohnung keinen. Aber ich erkenne in diesen Tagen immer am Balkon, wer jüdisch ist – denn der ist dann nämlich vollgestopft.« Fahlenkamp hingegen wird seine Chamez einsammeln, eintüten und zum nichtjüdischen Nachbarn bringen.
Und damit es nicht allzu viel Arbeit ist, versuchen er, seine Frau und die vier Kinder, schon in den Wochen vor den Feiertagen, bewusster einzukaufen: Nudeln oder Bier nur noch nach Bedarf, nicht auf Vorrat. Damit die Küche allen Ansprüchen genügt, wird sie nicht nur gesäubert, sondern der Kantor streicht auch noch die Wände. Das braucht Zeit: »Mit den Vorbereitungen fangen wir etwa zwei Wochen vor Pessach an.«
Bedürftige Noch früher sind die Mitarbeiter der Sozialabteilung der Jüdischen Gemeinde mit Pessach beschäftigt. Seit einigen Tagen können sich bedürftige Gemeindemitglieder Pakete mit koscherem Wein, Mazzot und Mazzenmehl abholen. Etwa 20.000 Euro kosten die Pakete insgesamt, sagt Jochen Palenker, vorheriger Finanzdezernent der Gemeinde.
Im vergangenen Jahr hatte die Finanzierung der Pakete für Aufsehen gesorgt, da sie infolge des Sparkurses des damaligen Vorstandes aus dem Wirtschaftsplan ersatzlos gestrichen worden war. Etliche Repräsentanten, Vorstands- und andere Gemeindemitglieder spendeten. Auch die Mitarbeiter der Gemeinde beteiligten sich an dieser Aktion, sodass die Pakete pünktlich zum Sederabend bei den Bedürftigen waren.
Der damalige Vorstand um Lala Süsskind hat im vergangenen Jahr sogar noch 20.000 Euro aus einem Unterstützungsfond des Deutschen Bundestags für dieses Pessachfest einwerben können. Damit seien die Pakete gesichert, die an 4.000 Bedürftige gehen, sagt Palenker.
Wie sich die Finanzierung in den kommenden Jahren gestaltet, dazu gab es vom amtierenden Vorstand kein Statement. Auch die Frage, ob es einen Seder im Gemeindehaus an der Fasanenstraße geben wird, blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet. In den vergangenen Jahren wurde der Seder von dem koscheren Gemeinde-Restaurant mit ausgerichtet, dessen Räumen nun seit Ende Januar leer stehen.
Bei Chabad Lubawitsch werden dieser Tage mehr als 1.000 Pakete mit Mazzot, Gefilte Fisch, Gurken und Mazzenmehl gepackt, die an Bedürftige weitergegeben werden. »Es ist eine uralte jüdische Tradition, großzügig Spenden an Fonds zu leisten, die dafür sorgen, dass auch wirklich jeder Mensch, der Not leidet, mit dem Notwendigen – Lebensmittel, Mazze, Wein – versorgt ist«, sagt Rabbiner Shmuel Segal. »Wir hoffen, dass mehrere Beter ein oder auch zwei solcher Pakete spenden.«
Stress »Arbeit, Arbeit, Arbeit« – das sind die Feiertage für Gaby Baum, die ein koscheres Catering anbietet. In den vergangenen Jahren hat sie für jüdische Organisationen und Familien die Versorgung für Seder übernommen. »Bei mir fängt es damit an, dass ich in meiner großen Kochküche ein angrenzendes Lager leer räumen muss, um dorthin die ›falschen‹ Lebensmittel in speziellen Kisten zu schleppen.«
Aus einem anderen Lager wiederum transportiert sie das Koscher-le-Pessach-Geschirr. So müssen nur der Herd und die Spüle gekaschert werden. Das ganze Inventar wird »vorübergehend« an einen Rabbiner verkauft. Nach Pessach beginnt die Arbeit von Neuem – dann muss alles zurückgeräumt werden. Auch die Bleibergs »verkaufen« ihr Café in der Nürnberger Straße vorübergehend und schließen für einige Tage. Rabbiner Ehrenberg übernimmt das Geschäft, das er wiederum an einen nichtjüdischen Bäcker abgibt.
Viel zu tun haben die Mitarbeiter der Küche des Seniorenzentrums der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. »Es ist der aufwendigste Feiertag«, sagt Sigrid Wolff, Leiterin der Einrichtung. Die Küchenabteilung hat bereits genau eingeteilt, wer wann welchen Putzlappen schwingen muss. Auch bieten die Mitarbeiter an, die Küchen für die Bewohner des Seniorenzentrums zu kaschern. Zum Seder rechnet Sigrid Wolff mit 100 Gästen. Einige Bewohner feiern bei ihren Familien, weshalb die Möglichkeit für andere besteht, Freunde und Angehörige zur Feier ins Seniorenzentrum einzuladen.
Rabbiner Tuvia Ben-Chorin wird beim Putz in der heimischen Küche mit von der Partie sein. Die Arbeit überlässt er nicht seiner Frau allein. Als Rabbiner ist er am ersten und zweiten Feiertag im Einsatz, aber am siebten Tag will er zu Hause feiern.
Seder Der stellvertretende Leiter des Jugendzentrums Olam, Mike Delberg, hingegen hält sich beim Putzen charmant zurück. »Wir feiern mit der ganzen Familie. Alle Gebete werden gesprochen, aber das Afikoman muss nicht mehr für mich versteckt werden«, sagt der Student.
Auch Rabbiner Reuven Yaacobov ist mit den Vorbereitungen beschäftigt. Zusammen mit den Betern der Sefardischen Synagoge Passauer Straße putzt er das Gotteshaus, die Küche und reinigt die Fenster. Ebenfalls werden Pakete für 50 bedürftige Beter mit Wein, Kuchen, Mazzemehl und Mazzot verteilt, und die Kinder bekommen Geschenke. Mit 100 Betern rechnet der Rabbiner zum ersten Sederabend. Bereits von 30 Personen hat er Chamez gekauft, das er an eine nichtjüdische Bekannte gibt. Dann ist alles koscher und Pessach kann kommen.