Regensburg

Im Herzen der Altstadt

Das ist ein Tag der Freude!», verkündete Rabbiner Josef Chaim Bloch bei der feierlichen Zeremonie am 19. Oktober. Die historische Bedeutung dieses Tages war greifbar: Unter den Füßen der Festredner lagen die Mauerreste der Synagoge, die hier bis zu ihrer Zerstörung in der Pogromnacht gestanden hatte. In der Nacht zum 9. November 1938 hatten Regensburger Bürger das Gotteshaus mitten im Herzen der Altstadt in Brand gesetzt. Die Feuerwehr schützte nur die umliegenden Häuser vor einem Übergreifen der Flammen und sah im Übrigen tatenlos zu.

Umso wichtiger sei es, den Neubau der Synagoge voranzutreiben, sagte der Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs: «Wir sind das der Jüdischen Gemeinde in Regensburg schuldig. Es liegt in unserer Verantwortung, hier zu helfen, und wir tun das sehr gerne.» Neben der Stadt beteiligt sich auch der Freistaat Bayern an den Kosten von fünf Millionen Euro für den Neubau, der hier entstehen soll.

Besonders erfreut zeigte sich die Gemeindevorsitzende Ilse Danziger über die vielen Spenden aus der Bevölkerung für das Projekt. Mit dem neuen Jüdischen Zentrum geht für die Gemeinde ein lang gehegter Traum in Erfüllung. «Die jetzigen Räumlichkeiten reichen schon lange nicht mehr aus», berichtete Danziger.

Umfasste die Jüdische Gemeinde zu Beginn der 90er-Jahre nur wenige Hundert Mitglieder, ist sie durch die jüdischen Kontingentflüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion auf über 1000 Mitglieder angewachsen. Sowohl für die integrativen und sozialen Aufgaben der Gemeinde als auch für die verschiedenen Feste ist in den wenigen sanierungsbedürftigen Räumen des Gemeindehauses am Brixener Hof schlicht kein Platz.

Transparenz Die Renovierung und Instandhaltung der denkmalgeschützten Gebäudeteile ist ebenfalls Teil des Bauvorhabens. Dass dieses planerisch und architektonisch eine Herausforderung ist, musste auch das Architekturbüro Staab feststellen, das die Bau-Ausschreibung gewonnen hatte. Gemeinsames Ziel von Architekten und Gemeindevorstand sei es, ein Höchstmaß an Offenheit und optischer Transparenz zu bieten, ohne dabei die nötigen Sicherheitsvorkehrungen außer Acht zu lassen.

Dass dies mit dem Entwurf eines Kuppelbaus, eines öffentlichen Cafés sowie einer Bibliothek gelungen ist, darüber ist man sich in Regensburg einig. Christine Schimpfermann, Bau- und Planungsreferentin der Stadt, betreut das Bauvorhaben schon seit über fünf Jahren. Sie sagte: «Es war nicht leicht, das Projekt bei der dichten Bebauung, wie sie in der Regensburger Altstadt mit den engen mittelalterlichen Gassen vorliegt, zu realisieren. Umso mehr freuen wir uns nun alle, dass es endlich losgeht.»

Wenn das Gotteshaus wie geplant im Frühjahr 2019 fertiggestellt wird, dann ist dies bereits die dritte Synagoge in der langen jüdischen Geschichte Regensburgs. Die erste Synagoge befand sich am Neupfarrplatz, nicht weit vom heutigen Bauplatz entfernt. Sie wurde 1519 zerstört und die Juden aus der Stadt vertrieben. Heute ist der erste Standort weithin sichtbar dank des weißen, in den Boden eingelassenen Denkmals von Dani Karavan. 1912 wurde am Brixener Hof die zweite Synagoge errichtet, wo nun auch der Neubau entsteht.

Schirmherrin Bei strahlendem Sonnenschein war am Mittwoch auch die Schirmherrin der Grundsteinlegung, die Schauspielerin und Tatort-Kommissarin Adele Neuhauser, nach Regensburg gekommen, um bei der Grundsteinlegung dabei zu sein. Mit Regensburg verbinden Neuhauser ihre Erfolge am hiesigen Stadttheater, wo sie in den 90er-Jahren in der Rolle des Mephisto in Goethes Faust zu sehen war – eine Aufführung, von der man in der Stadt noch heute spricht.

Doch nicht nur ihre Karriere, sondern vor allem auch ihre eigene Familiengeschichte bewegten Neuhauser dazu, die Schirmherrschaft zu übernehmen: «Meine Großmutter, die auch Adele hieß und nach der ich benannt bin, hat das Konzentrationslager Theresienstadt überlebt. Ihr zweiter Mann war jüdischer Herkunft, und als er deportiert werden sollte, entschied sie sich, mit ihm zu gehen.» Ihre Großmutter überlebte, ihr Mann jedoch nicht. In der Familie wurde die Geschichte mit großem Stolz weitererzählt, und auch die kleine Adele hörte sie von Kindesbeinen an. «Es ist eine Geschichte von einer wahren und großen Liebe. Sie zeigt, wozu Liebe fähig ist und wie stark sie sein kann. Und das ist bei all dem Grauen etwas Wunderschönes.»

Kindergedichte Um die tragische Schönheit, die trotz der Schrecken der Schoa entstehen konnte, ging es auch beim Benefizkonzert, das am 22. Oktober vom Förderverein für den Neubau der Synagoge veranstaltet wurde. Neben Werken von Felix Mendelssohn Bartholdy und Zdenek Lukáš wurde der Zyklus geboren zu weinen, ein Werk des jungen Komponisten Gregory Nordmann, im Historischen Reichssaal vom Raselius-Chor der Regensburger Kantorei unter Leitung von Roman Emilius aufgeführt. Nordmann hatte bei einer Abiturfahrt ins Jüdische Museum Prag Kindergedichte aus dem Ghetto Theresienstadt entdeckt, die ihn tief bewegten und die er in mehreren Stücken für Klavier und Chor vertonte.

Den Texten, die von Verzweiflung, aber auch dem Aufflackern kindlicher Hoffnung erzählen, gibt Nordmann mit seiner Musik eine Stimme. Gerade junge Menschen müssten sich mit der Vergangenheit auseinandersetzen, findet der 26-jährige Komponist – unabhängig davon, ob sie einen jüdischen Familienhintergrund hätten, wie er selbst, oder nicht. «Es gibt viele Möglichkeiten, mit diesem Wissen aus der Vergangenheit umzugehen. Manche verarbeiten es in bildender Kunst, andere schreiben Gedichte, und ich komponiere eben Chorzyklen.»

Dieter Weber, der Vorsitzende des Fördervereins Neue Regensburger Synagoge, zeigte sich erleichtert, dass mit der Grundsteinlegung und dem Konzert zwei der großen Meilensteine für dieses Jahr geschafft sind. «Aber jetzt heißt es, weiter fleißig Spenden sammeln, denn noch werden weitere Gelder gebraucht.» Doch nach dieser Festwoche steht fest: Weber und der Jüdischen Gemeinde ist die Unterstützung der Regensburger gewiss.

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