Einmal ist keinmal. Aber beim zweiten Mal kann man es bereits eine Tradition nennen. Denn wie schon zu Lag BaOmer im Mai luden auch zu Sukkot gleich mehrere Synagogen zum gemeinsamen Feiern in den Garten des Seniorenzentrums der Jüdischen Gemeinde zu Berlin in der Dernburgstraße ein. Mit von der Partie waren diesmal die Synagogen Ryke- und Pestalozzistraße, die Zentrale Orthodoxe Synagoge Joachimsthaler Straße, Sukkat Schalom und der Minjan LeDor Wador des Jeanette-Wolff-Heims.
Tatkräftige Unterstützung erfuhren sie dabei vom American Jewish Joint Distribution Committee (JDC), dem Jüdischen Frauenverein, der Raoul-Wallenberg-Loge und natürlich vom Jugendzentrum Olam. Wieder einmal zogen von liberal bis orthodox die verschiedenen Strömungen an einem Strang. »Schließlich geht es bei Sukkot viel um Austausch und Offenheit«, erklärte Rabbiner Boris Ronis, eine der treibenden Kräfte hinter dem Konzept, »auch zwischen den Generationen«.
Er verwies auf die Tradition, zu Sukkot jeden Tag »Uschpisin«, also symbolische Gäste, in die Laubhütte einzuladen. »Diese Ehrengäste sind unsere Vorväter Awraham, Jizchak, Jakow, Mosche, Aharon, Josef und David.« Aber sie seien eben nur symbolisch. »Ganz real dagegen sind unsere Eltern und Großeltern«, betonte Ronis. Deshalb war die Sukkotfeier von Anfang an als generationenübergreifendes Projekt geplant.
gäste Doch das Zusammensein verschiedener Altersgruppen soll mehr als nur bloßen Event-Charakter haben, es soll ganz konkret im Alltag gelebt werden. »Deshalb planen wir den Bau eines Kindergartens auf einem zum Seniorenzentrum gehörenden freien Grundstück.«
Mit dieser Ankündigung überraschte denn auch Gideon Joffe, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, in seinem Grußwort die Anwesenden. »Die Nähe zu ihren Enkelkindern wird vielen Bewohnern des Jeanette-Wolff-Heims Kraft und Glück spenden und das Zusammengehörigkeitsgefühl in unserer Gemeinde weiter stärken.« Auch er möchte das Verbindende und Gemeinsame mehr als bisher im Mittelpunkt sehen. »Und dafür sind Familienfeste wie jetzt zu Sukkot, die gleich von mehreren unserer Synagogen auf die Beine gestellt werden, eine wunderbare Gelegenheit«, betonte Joffe. »Mich persönlich stimmt das sehr glücklich und zuversichtlich für die Zukunft.«
Hannelore Altmann, Leiterin des Dezernats für Integration in der Gemeinde, sieht das genauso. »Für uns ist der geplante Kindergarten hier ein spannendes Modellprojekt.« Berührungsängste oder Bedenken scheint es keine zu geben. Das ließ sich exemplarisch auf der Sukkotfeier beobachten. »Mein eigener Enkel hatte sofort andere Kinder entdeckt und rannte direkt los«, sagte Altmann lachend.
magnetwirkung Die Senioren hatten an dem Trubel ganz offensichtlich ebenfalls ihre Freude. Auf einem Balkon konnte man sogar beobachten, wie ein Pfleger mit einer älteren Dame zu israelischer Musik ein Tänzchen wagte.
Auch Emanuel Adiniaev, Mitglied der Repräsentantenversammlung, glaubt an das Potenzial von Veranstaltungen wie diesen. »Es gibt eine Art Magnetwirkung – vor allem für Jüngere, die mitmachen wollen.«
Und Heinz Rothholz, Gabbai in der Synagoge Pestalozzistraße, freute sich über das Wiedersehen mit alten Bekannten. »Nicht der eigene religiöse Standort steht hier im Vordergrund, sondern der Wunsch und das Bedürfnis nach einer gefestigten jüdischen Gemeinschaft«, so seine Beobachtung. Rund 500 Gäste feierten bei goldenem Oktoberwetter bis in die frühen Abendstunden.
spezialitäten Reichlich Andrang herrschte ebenfalls bei Chabad. »Über 300 Besucher dürften es schon gewesen sein«, sagte sichtlich zufrieden Rabbiner Shmuel Segal. Bereits am vergangenen Mittwoch hatte man auf dem eigenen Areal des Jüdischen Bildungszentrums eine riesige Sukka errichtet und mit verschiedenen Aktionen begonnen.
»Der Höhepunkt aber war eindeutig der Sonntag mit unserer großen Sukkotfeier.« Vor allem Familien mit Kindern waren erschienen und genossen koschere Spezialitäten sowie das umfangreiche Kulturprogramm. »Und damit die Stimmung richtig gut wurde, hatten wir eigens einen Sänger aus Antwerpen engagiert«, sagte Segal. Zudem fand parallel zu der Feier in der Laubhütte eine Batmizwa statt – Grund zum ausgelassenen Feiern gab es also gleich mehrfach.
Musik und Genuss standen auch im Mittelpunkt der Sukkotfeier der Synagoge Fraenkelufer. »Klezmerklänge und israelisches Essen zu Sukkot – diese Kombination kam offensichtlich gut an bei unseren rund 180 Gästen«, berichtet Nina Peretz, Vorsitzende des Vereins Freunde des Fraenkelufers nicht ohne Stolz.
pfirsich Eingeladen dazu hatte auch die israelische Kulturinitiative Habait. »Schon eine Stunde vor Beginn erschienen die ersten Besucher, um sich einen Platz in der Sukka zu sichern«, erzählt sie. »Beim israelischen Buffet im Kiddusch-Raum – mit selbst gebackenen Pitot, Ziegenkäse auf Pfirsich und geröstetem Gemüse – gab es viele Möglichkeiten für Begegnungen und Gespräche.«
Dann spielten die drei Musiker der Klezmer Sessions Neukölln auf. Mit Geigen, Akkordeon und schnellen Rhythmen heizten sie die ohnehin gute Stimmung in der Sukka an. Die Gäste tanzten erst drinnen, später dank der noch wärmenden herbstlichen Abendsonne dann sogar im Garten weiter. Am Sonntag standen viele Synagogen in Berlin offensichtlich noch ganz im Zeichen der Sukka – um am Tag darauf sogleich mit den Vorbereitungen für Simchat Tora zu beginnen.