Anmerkung der Redaktion (2. August 2023):
Als dieser Text von Fabian Wolff in der Jüdischen Allgemeinen erschien, glaubte die Redaktion Wolffs Auskunft, er sei Jude. Inzwischen hat sich Wolffs Behauptung als unwahr herausgestellt.
Dass sich drei Hochschulpräsidenten zur selben Zeit im selben Raum in Berlin aufhalten, ist für Peretz Lavie ungefähr so wahrscheinlich wie eine Autofahrt von einem Ende der Stadt zum anderen bei grüner Welle. Aber manchmal passiert es doch. Wie beim Israeltag der Technischen Universität (TU).
Bei der Konferenz, die sich am vergangenen Donnerstag mit Wissenschaft, Politik und Kultur rund um Israel befasste, waren außer Lavie, dem Präsidenten des Technion in Haifa, bei der Auftaktveranstaltung auch Menachem Ben-Sasson, Präsident der Hebräischen Universität Jerusalem, und Daniel Zajfman, Präsident des Weizmann-Instituts, zu Gast.
initiative TU-Präsident Jörg Steinbach sagte gleich zu Beginn der Veranstaltung, für ihn sei es einer der glücklichsten Tage. Er dankte dem israelischen Botschafter Yakov Hadas-Handelsman, von dem die Initiative für eine solche Konferenz ausgegangen war, um die wissenschaftlichen Communitys beider Länder noch enger miteinander zu vernetzen. »Die TU Berlin und Israel verbindet eine ganz spezielle Geschichte«, betonte Steinbach, der es als besondere Verpflichtung sieht, sich auch jenen Kapiteln der Geschichte der TU zu widmen, auf die die Universität »nicht stolz sein kann«.
Die TU arbeite gut mit israelischen Fakultäten zusammen, so Steinbach. Das allerdings gefällt nicht allen: Schon von Weitem sieht man eine große palästinensische Flagge vor dem Hauptgebäude der Universität wehen. Eine kleine, überschaubare Gruppe demonstriert gegen die Kooperation der TU mit dem Technion in Haifa. Im Vorfeld hatte auch Jörg Steinbach E-Mails erhalten, in denen die Gründe für den Protest erläutert wurden. Steinbach allerdings stellt klar: »Ich stehe zur Freundschaft zwischen der TU und dem Technion.«
Lehrstuhl Nur wenige Monate zuvor habe er, so Steinbach, eine Vereinbarung unterzeichnet, die die Unterstützung des Schlesinger-Lehrstuhls der Hochschule in Haifa, den die TU 1986 in Erinnerung an den Produktionstechniker Georg Schlesinger gestiftet hatte, auch weiterhin festschreibt.
Dieser Tag soll aber nicht nur für Wissenschaftler, sondern vor allem auch für die Studenten da sein. So können sich Studierende über Auslandssemester informieren, ganz nebenbei gleich die Präsidenten der israelischen Unis treffen und beispielsweise erfahren, warum Deutsch eine der ersten Unterrichtssprachen am noch jungen Technion in Haifa war.
Thomas studiert im dritten Semester Informatik und liebäugelt mit einem Auslandssemester. »Die Bedingungen, gerade für meinen Bereich, sollen in Israel sehr gut sein.« Und weil der Israeltag nicht allein im Zeichen politischer Gespräche, akademischer Fragen und Formalitäten stehen soll, gibt es auch einen Einblick in die Kultur des Landes. Bevor im Lichthof israelisches Essen serviert wird, läuft der im Jahr 2010 oscar-nominierte Film Ajami des Regieduos Scandar Copti und Yaron Shani.
Tanz Anschließend gibt Avi Palvari einen Crashkurs in israelischer Tanzkunst. »Alle mitmachen, Bewegung!«, fordert er die Tanzfreudigen auf, die in einem Kreis um ihn herum stehen. Einer, der nicht mittanzt, ist der Theatermacher Tuvia Tenenbom. Er hat die Veranstaltungen »aus Neugier« beobachtet.
»Während eines Vortrages hat ein junger Mann, der sich als Palästinenser vorgestellt hat, ein paar eindeutig israelfeindliche Bemerkungen gemacht. Und der Professor ist auf sie eingegangen! Er hätte überhaupt nicht antworten dürfen«, findet Tenenbom. Auch das Grüppchen palästinensischer Protestler vor der TU verstört ihn. Deswegen läuft er jetzt mit einem Aufkleber der Palästinensischen Gemeinde Berlins auf der Brust umher: »Everybody loves me now!«
Falafel Haim Hoffmann und sein Sohn verkaufen Falafel, Rugula und Hummus. Unter den Hungrigen ist der 24-jährige Kiril, der an der TU seinen Master in Informatik macht. Er will in Israel studieren oder arbeiten – »einen besseren Wissenschaftsstandort gibt es kaum«. Mela ist gerade erst gekommen. »Teile meiner Familie sind jüdisch, natürlich hat Israel irgendwie schon eine Bedeutung für mich.« Die Studentin der Kunstwissenschaft war noch nie in Israel, möchte das aber bald nachholen. »Das war für mich aber schon gestern klar, auch ohne Israeltag. Ich bin jetzt nur wegen des Essens und des DJs hier.«
Denn nach dem Tanzkurs soll Aviv Netter auflegen. Der DJ ist mit seinen »Berlin Meschugge«-Partys weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt. Noch ist der zum Dancefloor umfunktionierte Lichthof fast leer, man beschränkt sich auf eine Ecke. Aviv beginnt sein Set mit israelischem Pop. Jemand hat die Anti-Israel-Sticker abgerissen. Langsam füllt sich der Dancefloor. Nur die Sicherheitsleute tanzen nicht.