Die »Jüdischen Kulturtage« der Israelitischen Kultusgemeinde haben längst einen festen Platz im Veranstaltungskalender Münchens gefunden. Zwei Monate lang, bis Ende Oktober, reihen sich auch heuer wieder die Highlights aneinander.
Musik, Filme, Vorträge, Buchpräsentationen, Gespräche, eine Ausstellung: Das Programm lässt kaum einen Wunsch offen. Auch IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch freut sich schon darauf. »Die Veranstaltungen«, sagt sie, »spiegeln die Vielfalt des jüdischen Lebens wider.«
Europa Auftakt für die kulturelle Reise durch das jüdische Leben ist am Sonntag, 4. September. Am Jakobsplatz, vor der Kulisse der Synagoge und des Gemeindezentrums, findet wieder der »Europäische Tag der jüdischen Kultur« (ETdjK) statt. In rund 30 Ländern wird er seit 2000 alljährlich begangen. Die IKG München und Oberbayern beteiligt sich seit der Eröffnung des Gemeindezentrums 2007 an dem internationalen Event und kann deshalb in diesem Jahr ein kleines Jubiläum feiern. Gleich nach dem ETdjK starten dann die »Jüdischen Kulturtage«.
Ellen Presser, die Leiterin der IKG-Kulturabteilung, sorgt mit ihrer Programmauswahl dafür, dass es zwischen dem ETdjK und den anschließenden Kulturtagen auch inhaltlich eine Gemeinsamkeit gibt. Wie in den zurückliegenden Jahren hat sie auch heuer das Motto des ETdjK zum Leitmotiv der zwei Monate dauernden Veranstaltungsreihe im Gemeindezentrum gemacht. In diesem Jahr lautet es »Jüdische Sprachen« und entspricht damit ganz der Vielfalt, die auch das Leben der Juden in der ganzen Welt ausmacht.
Mit Hebräisch, Aramäisch, Jiddisch und Ladino zählt Charlotte Knobloch nur einige der Sprachen auf, die in der Diaspora weltweit in Gebrauch sind und auch bei den »Jüdischen Kulturtagen« zu hören sein werden. »Das Thema«, analysiert sie das bunte Programm, »lässt aufschlussreiche Interpretationen zur Herkunft, Tradition und Entwicklung der jüdischen Sprache zu.«
Das »Sprachgewirr« zieht auch Ellen Presser in den Bann. »Es gibt unheimlich viele sprachliche Facetten«, sagt sie und weist im gleichen Atemzug auf die historisch und gesellschaftlich bedingten Unterschiede hin. »Die Dialekte der Juden im Kaukasus zum Beispiel unterscheiden sich schon in sehr erheblichem Maß von denen, die sich im Elsass oder in Nordafrika entwickelten«, erklärt sie. »Aber das ist halt gelebte Vielfalt.«
»Auf den Spuren jüdischen Lebens« in München ist am 4. September, dem ETdjK, Chaim Frank unterwegs. Um 11 und 14 Uhr starten die Rundgänge (Treffpunkt: Brunnen auf dem Jakobsplatz) durch die Innenstadt. Da die Teilnehmerzahl auf jeweils 25 Interessenten begrenzt werden muss, ist eine Anmeldung erforderlich, am besten per E-Mail an karten@ikg-m.de. Um 12 und um 14.30 Uhr finden ebenfalls einstündige Führungen durch die Ohel-Jakob-Synagoge mit Vorträgen von Elisabeth Rees Dessauer und Shimrit Sutter-Schreiber statt. Einlass ist jeweils eine halbe Stunde vor Beginn.
zentrum Am Nachmittag verlagert sich das Programm direkt ins Gemeindezentrum. Um 15 Uhr wird dort die Ausstellung Haidholzener Psalter eröffnet, eine Stunde später liest der Schriftsteller P. J. Blumenthal aus seinem kurzweiligen Buch Wie ich die deutsche Sprache eroberte. Durchgehend buntes Treiben herrscht im Foyer des Gemeindezentrums. Feinkost Danel sorgt von 12 bis 18 Uhr für ein koscheres Buffet, ein Bücher- und CD-Flohmarkt bietet Schnäppchen an, Schmuck wird von der »Kreativen Werkstatt« angeboten, ein Projekt des Alten- und Servicezentrums (ASZ) und der IKG-Sozialabteilung. Einblicke in die Kunst der Kalligrafie vermittelt Moran Haynal, und beim »Quiz-Casino« kann nicht nur das Wissen getestet werden, es winken auch tolle Preise.
Witzig, unterhaltsam, originell wird es ab 18 Uhr, wenn das Ensemble »Voices of Ashkenaz« auf die Bühne tritt. In der Ankündigung heißt es: »Die vier Musiker aus den USA, Ukraine/Israel und Deutschland widmen sich den überraschenden Verwandtschaften und Parallelen jüdischer und deutscher Volkslieder. Spannend und selten gehört kommen hier Traditionen zusammen, die einmal im ›Aschkenas‹ (hebräisch: Deutschland) der frühen Neuzeit zusammengehörten und nun durch ihre unterschiedliche Entwicklung in verschiedenen Kulturen, Zeiträumen und Orten faszinieren.« Vier Tage nach diesem Highlight fangen dann die eigentlichen »Jüdischen Kulturtage« der IKG an.
Eine Geschichte von Liebe und Finsternis heißt der Film, mit dem Weltstar Natalie Portman ihr Spielfilmregiedebüt gab, das Drehbuch schrieb und selbst eine Hauptrolle spielt. Der Film, der die frühen Jahre des israelischen Schriftstellers Amos Oz erzählt, wird am 8. September, 20.45 Uhr, zum ersten Mal in München gezeigt. Im Anschluss findet ein Gespräch zwischen Emanuel Rotstein und Fania Oz-Salzberger statt, einer Tochter von Amos und Nily Oz.
Die Literaturexperten Brigitte van Kann und Alexander Kostinskij beschreiben am 15. September, 19 Uhr, mit einer Lesung und Vorträgen unter dem Titel »Beginnen wir mit dem Menschen …« Wassili Grossman und seinen Schlüsselroman Leben und Schicksal. Grossmans Gesellschaftsepos über den Niedergang der osteuropäischen Juden ist wie Tolstois Krieg und Frieden eines der wichtigsten Werke der russischen Literatur.
Zum 120. Geburtstag von Werner Richard Heymann präsentiert am 18. September, 18 Uhr, die Chansonsängerin Annette Postel bekannte und weniger bekannte Lieder des berühmtesten Filmkomponisten der 30er-Jahre. Evergreens wie »Liebling, mein Herz lässt Dich grüßen« gehören zu ihrem Repertoire. Bereichert wird der Abend durch Elisabeth Trautwein-Heymann, die Tochter des Komponisten. Sie liest aus den Memoiren ihres Vaters, Susanne Klar begleitet am Klavier.
liebe Wir sehen uns am Meer heißt der dritte Roman der israelischen Schriftstellerin Dorit Rabinyan, der am 28. September, 19 Uhr, im Gemeindezentrum vorgestellt wird. Die Liebesgeschichte zwischen einer Israelin und einem Palästinenser wird von Günter Keil und der Schauspielerin Caroline Ebner, Mitglied der Münchner Lach- & Schießgesellschaft, präsentiert.
Alltagskomik und ein verwegener Sprachmix kennzeichnen den Film Anderswo (5. Oktober, 19 Uhr) unter der Regie von Ester Amrami. Ihr erster Langspielfilm erzählt von der Lebenskrise einer jungen Frau, die in Berlin studiert und in ihrer Heimat Israel wieder auf die Beine kommen will. Aber auch dort holen sie der Alltag, alte Konflikte und die in Berlin wartenden Probleme ein.
Itzik Manger war einer der bedeutendsten Dichter jiddischer Sprache im 20. Jahrhundert. Die Wissenschaftlerin, Malerin und Autorin Efrat Gal-Ed widmete ihm die Biografie Niemandssprache. Im Gemeindezentrum hält sie am 20. Oktober, 19 Uhr, auf Deutsch einen Vortrag darüber und zitiert in Jiddisch, der Schauspieler, Autor und Fotograf Hanns Zischler liest auf Deutsch.