Anmerkung der Redaktion (2. August 2023):
Als dieser Text von Fabian Wolff in der Jüdischen Allgemeinen erschien, glaubte die Redaktion Wolffs Auskunft, er sei Jude. Inzwischen hat sich Wolffs Behauptung als unwahr herausgestellt.
Ruhig ist es am Sonntagmorgen in Hellersdorf vor dem Asylbewerberheim. Keine Demonstranten, keine »Nein zum Heim«-Sprüche. Im Haus selbst ist es dafür umso lauter: Kinder laufen umher, spielen mit Luftballons, sind aufgeregt: Endlich bekommen sie ein Spielzimmer – hergerichtet von Betern der Synagoge Oranienburger Straße im Rahmen des Mitzvah Day. Das Heim ist im Gebäude des ehemaligen Max-Reinhardt-Gymnasiums. Heute leben hier 150 Flüchtlinge aus 19 Staaten, darunter 50 Kinder. Für sie entsteht im ehemaligen Hausmeisterraum ein Spielzimmer.
Tom Eichhorn leitet die Aktion. Als ihm das Konzept des Mitzvah Day vorgestellt wurde, musste er sofort an das Heim denken. Er lebt selbst nicht weit entfernt. Vor ein paar Jahren ist er mit seiner Familie in den Bezirk gezogen. Als er die Heimleitung das erste Mal kontaktierte, dachte er noch an Sachspenden: »Da hat die Leiterin ›Kommen Sie mal mit‹ zu mir gesagt und mir einen ganzen Lagerraum mit Spielsachen gezeigt.«
Möbel Spielsachen, die vor allem nach der großen medialen Aufmerksamkeit gespendet wurden. Bei seinem Besuch hat Eichhorn aber trotzdem gemerkt, dass es am Nötigsten fehlt: Möbeln und Tischen. So ist ihm die Idee gekommen. »Für mich als karitativer Laie war es ja das erste Unternehmen dieser Art. Erst mussten wir das Projekt sichern. Den Ausdruck habe ich jetzt gelernt. Und dann haben wir es eben umgesetzt.«
Zusammen mit anderen Gemeindemitgliedern organisierte er Teppiche und Regale für das künftige Spielzimmer. Jetzt muss nur noch die Feinarbeit erledigt werden: Die Wände werden gestrichen. Ein kleines Wandgemälde mit spielenden Kindern mit den Worten »Mitzvah Day 2013« soll an den Tag erinnern. Das ist der Sinn des Mitzvah Days, erklärt Hannah Schubert-Dannel. Sie koordiniert das Projekt für den Zentralrat. Es findet in diesem Jahr zum ersten Mal bundesweit statt: 120 Projekte in 20 Städten mit 50 jüdischen Einrichtungen, von Reform bis Chabad.
Die Aktionen finden sowohl »nach innen« – Schüler helfen im jüdischen Seniorenheim oder machen Friedhöfe winterfest – als auch »nach außen« statt: In München sammelt die Liberale jüdische Gemeinde Beth-Shalom Essen für die Tafel. Dass sich so viele und auch unterschiedliche Gemeinden beteiligten, zeigt für Schubert-Dannel: »Mizwot verbinden uns alle. Das ist unsere Welt.«
Bambinim Der Berliner Verein Bambinim kümmert sich um die Kinder, schminkt sie wie Spiderman, hilft beim Piratenkostüm oder malt abwaschbare Tattoos. Auf Vereinsleiterin Flora Hirshfeld wirken die Kinder sehr fröhlich und lebendig. Die Kleinen, die noch nicht zur Schule gehen, sind tagsüber bei ihren Eltern. Heimleiterin Martina Wohlrabe sagt, dass die Stimmung unter den Bewohnern eigentlich gut sei. Ansonsten gehen viele in die Volkshochschule, um Deutsch zu lernen. »Ein älterer Herr sagte mir: ›Ich bin hier gut angekommen und aufgenommen. Ich habe ein nettes Zimmer‹«, erzählt Wohlrabe.
Inzwischen lassen die Kinder die grünen Luftballons mit »Mitzvah Day«-Aufdruck platzen. Farhan zuckt zusammen. Das Geräusch erinnere ihn an die Bomben in Kurdistan, vor denen er und seine Frau Gulzin geflohen sind.
Er ist froh über die Aktion: »Kurden und Juden: Wir sind eng verbunden.« Das Spielzimmer wird mit einem Buffet aus Gummibären, Kuchen und Sufganiot eingeweiht. Schubert-Dannel hofft, dass solche Verbindungen auch an allen anderen Tagen des Jahres entstehen: »Es ist sehr leicht, etwas zu tun.«