Fotografie

Herlichs Frauen

Die einen waren stolz, die anderen gerührt, wieder anderen war es sogar etwas peinlich: Viele der Frauen, die der Fotograf Rafael Herlich für seine neueste Ausstellung Nashim (auf Deutsch: Frauen) porträtiert hat, waren Mitte Februar zur Vernissage in die Frankfurter Innenstadt gekommen. So sahen sie sich plötzlich ihrem eigenen überdimensionalen Konterfei gegenüber – die Begegnung mit sich selbst wurde zum Ereignis, auch für Freunde und Verwandte.

50 Frauen aus ganz Deutschland hat Herlich für seine Ausstellung fotografiert. Die Porträtierten selbst haben dann Texte zu den Fotos geschrieben und damit einen Teil ihrer Biografie, Gefühle, Gedanken und Lebenseinstellungen offenbart. Schülerinnen sind in der Ausstellung ebenso vertreten wie Rabbinerfrauen, Soldatinnen – der deutschen und der israelischen Armee –, eine Anwältin und eine Ärztin sowie mehrere Überlebende der Schoa.

bewegend Besonders bewegend, erzählte Herlich in seiner kurzen Ansprache, sei für ihn die Geschichte von Lilija und ihrer Tochter Elke Order. Elke, mit »großen gesundheitlichen Problemen geboren«, wie es im Buch heißt, schaffte es trotz ihrer Behinderung, für ihre Batmizwa den von Rebbetzin Luba Strocks ausgewählen Satz »Viele tüchtige Frauen gibt es, doch du übertriffst alle« auswendig zu lernen. »Es hat mich beeindruckt, wie die jüdische Tradition weitergegeben wird«, sagte Herlich. Welche Feste und Feiertage es im jüdischen Jahreszyklus gibt, erklärt Herlich in der Ausstellung anhand von Kinderfotos und kleinen Texten.

Die Porträts mehrerer Holocaust-Überlebender animierten Frankfurts Stadtkämmerer Uwe Becker dazu, in seiner Eröffnungsrede anzumerken, dass auch Anne Frank – die heute 87 Jahre alt wäre – eine der porträtierten Frauen hätte sein können. »Was wäre wohl aus ihr geworden, diesem Frankfurter Mädchen?«, fragte er in die Runde und plädierte dafür, Anne Frank als Ehrenbürgerin der Stadt zu betrachten, auch wenn diese Auszeichnung offiziell nicht postum verliehen werde. Eine Anregung, die mittlerweile ernsthaft diskutiertes Stadtgespräch ist.

prägend Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Mark Dainow, betonte, dass Herlich mit seinen Aufnahmen des pulsierenden jüdischen Lebens der Gegenwart »etwas Wertvolles« leiste, denn sie näherten »Welten aneinander an, die leider bis heute wenig Berührungspunkte haben«. Fotos, die jüdisches Leben zeigten, seien oft Aufnahmen aus den 20er- und 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts – Bilder »einer versunkenen Welt«.

In Schulbüchern würden noch heute meist nur traditionelle Juden mit Schläfenlocken oder, zur Illustration des »Dritten Reichs«, NS-Karikaturen gezeigt. »Das prägt ein Bild, das in den Köpfen festsitzt«, bedauerte Dainow. Auch bei Tagen der offenen Tür der jüdischen Gemeinden zeige sich häufig, dass »jüdisches Leben für Nichtjuden etwas Fremdes« sei. Daher dankte er Rafael Herlich, dass dieser »immer wieder Türen in die jüdische Welt« aufstoße. Je mehr über das Judentum bekannt sei, »desto leichter ist ein friedliches Zusammenleben möglich«. Auch Frankfurts Integrationsdezernentin Nargess Eskandari-Grünberg plädierte dafür, »dass sich die Neueinwanderer diese Ausstellung ansehen sollten«.

Dass gegenseitiger Respekt auf anderer Ebene bereits erfolgreich umgesetzt wird, macht der Ausstellungsort deutlich: Die Bilder werden im Haus am Dom, einem der katholischen Kultur- und Bildungszentren des Bistums Limburg, gezeigt. Hier hatte schon vor gut einem halben Jahr die Tagung »50 Jahre Konzilserklärung Nostra Aetate. Eine Revolution im Verhältnis der Kirche zum Judentum« stattgefunden. Das Begleitbuch zur Ausstellung mit allen Porträts und Biografien umfasst 139 Seiten und kostet 24,90 Euro.

Die Ausstellung ist bis zum 31. März montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr zu sehen. Infos unter www.hausamdom-frankfurt.de. Der Eintritt ist frei.

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