Manfred Friedländer, Beter der Synagoge Herbartstraße, ist fassungslos. »Wir sollen am 31. Juli aus unserem Bethaus«, sagt der 79-Jährige. Denn im August soll das Gotteshaus umgebaut werden, und zwar nach den Wünschen der Beterschaft von Sukkat Schalom, die ihre Synagoge bislang im Hüttenweg hatte und Mitglied in der Union progressiver Juden ist.
Andreas Nachama, Rabbiner im Hüttenweg, hatte dies Garry Wolff, dem Gabbai der Synagoge Herbartstraße, jüngst mitgeteilt. »Offiziell haben wir überhaupt nichts erfahren, es gibt beispielsweise keine schriftliche Mitteilung, und es hat auch keiner mit uns Betern gesprochen«, kritisiert Friedländer das Angebot empört.
Kabbalat Schabbat Für ihn und für viele andere Bewohner des Seniorenzentrums ist der Weg zu entfernter gelegenen Gotteshäusern zu weit. Für einige Bewohner sind selbst die paar Meter zur Synagoge Herbartstraße kaum zu bewältigen. »Deshalb ist es üblich, dass nach dem Gottesdienst der Kantor und/oder Rabbiner zu den Bewohnern kommt, die nicht mehr mobil sind, um mit ihnen Kabbalat Schabbat zu feiern«, sagt Garry Wolff, langjähriger Leiter des Seniorenzentrums.
Diese Synagoge hat den gleichen Ritus wie die Synagoge Pestalozzistraße – liberal mit Chor und Orgel. Der Chor und die Orgelstelle sind bereits im vergangenen Herbst ersatzlos vom Gemeindevorstand gestrichen worden.
Liturgie Manfred Friedländer empfindet den Ritus der Synagoge Hüttenweg als eher befremdlich – vor allem wegen der Gleichstellung von Frauen und Männern im Gottesdienst. Rabbiner Nachama hingegen beschreibt die Liturgie als »relativ ähnlich«. Er habe in der Synagoge Herbartstraße amtiert und kenne einige Beter. Der Amateurchor der Synagoge ist vor einigen Jahren zur Synagoge Hüttenweg umgezogen – immerhin kommen die beiden Vorsängerinnnen Esther Hirsch und Noga Hartmann aus dem Chor.
»Die Beter können gerne integriert werden«, sagt Benno Simoni vom Vorstand Sukkat Schalom. »Sie müssen sich aber unserem Ritus anpassen.« Zu den Gottesdiensten kämen zwischen 70 und 80 Beter. Ende des Jahres läuft der Nutzungsvertrag zwischen dem Bezirk und dem Verein All Saints, bei dem die Synagoge Untermieter ist, aus.
In einem Gespräch zwischen der Gemeinde und Andreas Nachama kam dann die »unerwartete Wendung«, sagt Rabbiner Nachama. Damit, dass ihnen die Synagoge Herbartstraße zur Verfügung gestellt werden könnte, hatte er nicht gerechnet.
Dennoch soll es sich nach Aussage von Benno Simoni um eine Interimslösung handeln, denn die Beterschaft strebe eine eigene Synagoge an, die in der Tradition der Reformsynagoge Johannisstraße steht.