Seit über zehn Jahren kommen am Volkstrauertag auf dem jüdischen Friedhof an der Garchinger Straße zahlreiche Persönlichkeiten und Vertreter von Organisationen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Bereichen sowie Angehörige der Bundeswehr zusammen, um an die jüdischen Gefallenen des Ersten Weltkriegs zu erinnern.
Nach Einschätzung von IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch ist das Gedenken an diese Soldaten ein äußerst wichtiges Ritual, denn von 1914 bis 1918 gehörten rund 100.000 jüdische Soldaten der deutschen Armee an. Etwa 80.000 waren an der Front stationiert, 12.000 ließen ihr Leben für ihr Vaterland, 3000 wurden mit Tapferkeitsmedaillen ausgezeichnet, 19.000 befördert und 2000 in den Offiziersrang erhoben.
anerkennung Für Deutschland zu kämpfen und im Ernstfall ihr Leben für ihre Heimat zu lassen, war für die deutschen Juden eine Frage der Ehre und der Pflicht – aber auch Ausdruck ihrer tiefen Sehnsucht, endlich als gleichwertige Bürger anerkannt zu werden. Das dokumentiert auch ein Aufruf aus dem Jahr 1914, der in einer jüdischen Zeitung gedruckt wurde: »Alle Deutschen müssen ihre Pflicht tun, aber die deutschen Juden müssen mehr als ihre Pflicht tun.«
In den Zeit nach der Machtergreifung der Nazis spielte die Heimatliebe keine Rolle mehr. Wie wichtig die Erinnerung an das fast vergessene Kapitel deutscher Geschichte ist, betonten auf dem Friedhof neben der IKG-Präsidentin auch Staatssekretär Georg Eisenreich, der in Vertretung von Ministerpräsident Horst Seehofer gekommen war, Stadtrat Christian Vorländer im Namen des Oberbürgermeisters und Oberst Kai-Uwe Mayer, stellvertretender Kommandeur des Landeskommandos Bayern.
In ihrer Rede ging Charlotte Knobloch auch auf den historischen Hintergrund des Einsatzes jüdischer Soldaten während des Krieges näher ein. »Dadurch kam der große Wunsch der Juden zum Ausdruck, endlich von der nichtjüdischen Gesellschaft als geachtete, gleichwertige Mitglieder anerkannt zu werden. Ein Wunsch, der sich nicht nur nicht erfüllen sollte, sondern bitter enttäuscht wurde: Vaterlandsliebe und Opferbereitschaft galten den Nazis nichts, rassistische Menschenverachtung alles.«
Gleichheit Nach Überzeugung der IKG-Präsidentin könne man aus dieser Erinnerung lernen, dass Gleichheit vor dem Gesetz die Grundlage für das friedliche Zusammenleben sei, aber erst die Liebe zur Heimat, die Achtung von Werten und Regeln aus dem Nebeneinander ein Miteinander mache.
Heute, ein ganzes Jahrhundert nach dem Ersten Weltkrieg und der danach folgenden nahezu vollständigen Auslöschung des deutschen und europäischen Judentums, könnten sich Juden in Deutschland wieder heimisch und tief verwurzelt fühlen.
»Das ist ein Wunder, ein hart errungenes Glück, für das wir dankbar sind und für das wir als Demokraten und Patrioten auch kämpfen«, erklärte Charlotte Knobloch vor dem Gedenkstein für die gefallenen jüdischen Soldaten.