Es ist still an diesem Sonntagnachmittag. Doch bereits von der Straße aus kann man die Musik über die Mauern schallen hören. Es ist der 33. Tag zwischen Pessach und Schawuot, und die Hamburger Gemeinde hat sich im Gemeindezentrum versammelt, um gemeinsam Lag BaOmer zu feiern. Im Hof tummeln sich ein paar Teenager in modernen Lederjacken mit frisch aufgestylten Haaren und ahmen das Oscar-Selfie nach, rücken eng zusammen, um möglichst alle aufs Handyfoto zu passen.
Der Alltag kehrt in die Synagoge zurück und unterbricht damit die Tage der Trauer. Auch ein HSV-Fan im Trikot ist unter den Feiernden. Hähnchen brutzeln auf den Grillrosten, frisch gezapftes Bier wartet auf durstige Besucher. An den Tischen geht es auf Deutsch, Russisch und Englisch um die letzte Gruppenreise oder die Pläne für den kommenden Sommer. Wer zu welchem Machane fährt, wird bei Cola und Hähnchen heiß diskutiert.
Hüpfburg Ein bisschen ärgern und necken sich die Älteren, die Jüngeren toben über das Gelände, vor allem die Hüpfburg ist heiß begehrt. Chasak-Leiterin Xenia Fuchs erzählt lachend: »Die Hüpfburg ist von einem Verleiher mit dem Motto ›Der Norden hüpft‹. Die aufblasbare Spielwiese ist einem Farmhaus nachempfunden, mit einem riesigen Kuhkopf am Sims. Passt gut zum leckeren Grillfleisch, oder?«, freut sich Fuchs.
Dann eilt die Jugendgruppenleiterin weiter, denn in einem Nebenraum bereiten sich ihre aufgeregten Schützlinge auf den Auftritt vor. Auf die kann sie besonders stolz sein. Die Hamburger Gruppe errang bei der Jewrovision in der eigenen Stadt einen dritten Platz. Auch bei dieser Feier gibt es natürlich eine Show der Jugendgruppe.
Es ist das erste Lag BaOmer im Hof der Synagoge nach der Renovierung. Vorstandsmitglied Roy Naor freut sich über den regen Besuch: »Wir wollen natürlich gerne zu allen jüdischen Feiern ein Angebot schaffen, das unsere Gemeindemitglieder hierher lockt.« Schließlich ist es eines der großen Ziele, neben der Talmud-Tora-Schule mit der Synagoge ein zweites lebendiges Herz in der Gemeinde zu etablieren.
Angebote In den vergangenen Jahren hatte das Fest im Wehbers Park stattgefunden, beim sprichwörtlichen Hamburger Schietwetter, stets aufs Neue ein Vabanquespiel. Das gibt sich auch in diesem Jahr launisch, und so flüchten die Besucher beim einsetzenden Nieselregen in die Gemeinderäume. Dort gibt es auch einiges zu tun, die älteren Chasakmitglieder betreuen Spiele für die Kinder, Bälle wollen da gezielt und geworfen werden, ein Schminktisch lockt mit bunten Masken für kleine Gesichter. Rotgoldene Ballons schmücken die Tische und geben dem Raum einen feierlichen Anstrich.
Dann ist es endlich soweit: Die rund 150 Besucher dürfen sich über einen Auftritt ihrer Jewrovision-Helden freuen. Der geht direkt munter los mit einer Tanznummer, gefolgt von einem Gesangsstück. »Bei mir bist du schejn«, die älteren Besucher klatschen im Takt mit. Aber nur zuschauen geht natürlich bei so einem lebendigen Fest nicht, und so animieren die Tänzer die Gemeindemitglieder zu einer Polonaise durch die Reihen und sammeln jeden ein, der sich nicht strikt weigert.
Der hohe Raum ist von rhythmischem Klatschen und lauter Musik erfüllt. Die Jüngeren gucken sich bei ihren erfahreneren Nachbarn die Tanzschritte ab und tanzen aufgekratzt im Kreis mit. Von »Shalom Aleichem« bis zu Pharrell Williams aktuellem Hit »Happy« ist alles dabei. Draußen vor der Hüpfburg steht ein Haufen kleiner Schuhe, der eine oder andere junge Besucher ist müde auf die weiche Unterlage gesunken. Auch die Unterbrechung einer Trauerzeit kann ziemlich kräftezehrend sein.