Wie viele junge Menschen seiner Zeit verließ auch der Sohn des Kantors der Hildesheimer Synagoge, Hirsch Ephraim Edwards (1821–1894), in den 40er-Jahren des 19. Jahrhunderts seine Heimat. Das große wirtschaftliche Glück suchte er in der Karibik und ließ sich im damals dänischen St. Thomas nieder, handelte mit Zucker und exotischen Früchten wie Limetten und Zitronen. Sein privates Glück fand er, als er 1849 weiter nach Curaçao zog. Dort heiratete er die sefardische Jüdin Esther Haim, die Tochter eines wohlhabenden Bankiers.
Schnell machte Edwards mit einer eigenen Handelsgesellschaft in seiner neuen Heimat Karriere und wurde 1855 auf Curaçao Konsul von Hamburg. Verschiedentlich reiste er nach Deutschland, wurde 1870 Mitglied des Hamburger Bürgermilitärs und lebte fortan als angesehener jüdischer Bürger und Mäzen der Deutsch-Israelitischen Gemeinde in der Stadt. Er war maßgeblich am Bau eines jüdischen Altenhauses in der Hamburger Sedanstraße beteiligt, das heute ein Studentenwohnheim des Franziskanerordens ist.
Sammlung Jetzt sind er und seine Frau Esther in das Gedächtnis der Stadt zurückgekehrt. Elegant und würdevoll, ein wenig streng, blicken sie von rund 130 Jahre alten aufwendig restaurierten Leinwänden herab. Sie gehören zu einer Sammlung von sieben Porträts, die die Jüdische Gemeinde in Hamburg erstmals der Öffentlichkeit vorstellte.
Darunter sind berühmte Persönlichkeiten: Betty Heine, die Frau des Bankiers Salomon Heine, der zum Gedenken an seine verstorbene Frau 1841 das Israelitische Krankenhaus stiftete. Gabriel Riesser, erster jüdischer Richter und Vizepräsident der Frankfurter Nationalversammlung und der Hamburger Bürgerschaft, und Louis Wolf, Vorstand der Gemeinde Wandsbek.
»Es ist ein Glücksfall, dass diese Porträts im Laufe der Geschichte nicht zerstört wurden. Durch die Restaurierung konnten wir diese Zeugnisse jüdischen Lebens in Hamburg langfristig sichern«, sagte Hamburgs Kultursenatorin Barbara Kisseler. Ulrich Lohse vom Vorstand der Jüdischen Gemeinde kündigte an, man werde sich »um einen würdigen Platz« bemühen, »an dem diese Werke gezeigt werden können«.
Narben In mühevoller Kleinarbeit hatten die Restauratorinnen Ewa Gilun, Dina Dahlhaus und Tamara Lebed die »Zerstörungen« aufgearbeitet, »aber man muss die Narben der Geschichte akzeptieren«, sagt Gilun, alle könne man nicht verwischen. Akribisch haben sie sich in der Werkstatt des Denkmalschutzamtes in der St.-Jacobi-Kirche, wo sakrale Kunst restauriert wird, mit den jüdischen Persönlichkeiten und der Geschichte auseinandergesetzt.
»Wir sind nicht immer wertschätzend mit dem jüdischen Erbe umgegangen«, sagte Jacobi-Hauptpastorin Astrid Kleist. »Das ist eine Geschichte, der wir uns zu stellen haben.« Dass die Gemälde nun in einem guten Zustand gezeigt werden konnten, ist dem Hamburger Denkmalschutzamt zu verdanken, das die Kosten der Restaurierungsarbeiten in der Höhe von 32.000 Euro übernommen hatte.
Versteck Die Gemälde waren offensichtlich einst vor dem Zugriff der Nationalsozialisten versteckt worden. Darauf deuten auf der Rückseite der Gemälde mit Schreibmaschine getippte Zettel hin, die auf den 12. Oktober 1942 datiert sind. Wie sie in die Nachkriegsgemeinde gelangten, ist ungeklärt. Jahrzehntelang lagen sie sowie einige gerahmte Bilder verschiedener Hamburger Rabbiner im Archiv der jüdischen Nachkriegsgemeinde in der Schäferkampsallee. Die gerahmten Bilder wurden Anfang der 90er-Jahre in den Verwaltungs- und Konferenzräumen aufgehängt.
Beim Umzug des Archivs in andere Räumlichkeiten wurden die aufgerollten Ölbilder in den Keller in der Synagoge Hohe Weide verbracht, wo sie der Hausmeister 2005 beim Aufräumen fand.
Obwohl in den Medien berichtet wurde, dass es sich um einen Zufallsfund handelte, ist dem nicht so. Der Bestand war den Gemeindevorständen spätestens seit den frühen 90er-Jahren bekannt, nur waren damals andere Aufgaben wichtiger: die Zuwanderung der Juden aus den ehemaligen Sowjetstaaten.