Egalitär beten. Seit Ende August ist das in Hamburg unter dem Dach der Einheitsgemeinde möglich. Der erste Schritt ist gemacht, findet Peter Zamory, der sich gemeinsam mit seiner Frau Chana Hirschfeld für die Einrichtung eines Egalitären Minjans in Hamburg eingesetzt hatte. Nun hofft er auf eine langfristige Öffnung der orthodoxen Gemeinde. Das Ehepaar hat schon seit Längerem den Antrag auf Mitgliedschaft in der Gemeinde gestellt. Zuvor waren sie Mitglieder der Liberalen Gemeinde in Hamburg, aber nicht recht zufrieden.
Es habe dort nicht so ein »ausgeprägtes religiöses Interesse« bestanden, sagt Zamory. Letztlich sei ihm aber auch sehr deutlich geworden, dass Einheitsgemeinden der bessere Weg seien. »In Deutschland gibt es zurzeit etwa 200.000 Juden. Das ist eine kleine Minderheit, wenn wir uns noch weiter aufsplitten, ist das nicht der richtige Weg.«
Einheitsgemeinde Lange hatte die Gemeinde gezögert, jetzt ist der Egalitäre Minjan Teil der orthodoxen Gemeinde. Für den gebürtigen Hamburger Zamory eine gute Entscheidung: »Das hat uns sehr gefreut, weil so die Einheitsgemeinde tatsächlich zu einer wird, wie es in vielen anderen Städten längst der Fall ist.« Es habe eben auch Leute gebraucht, die diese Entwicklung einfordern. Die egalitären Gottesdienste finden in der Talmud-Thora-Schule am Grindelhof statt, auch in den Gemeindeorganen wird auf sie hingewiesen.
Der gerade neu gewählte Vorstand ist noch damit beschäftigt, sich in seiner Rolle zu finden, bisher gab es aber positive Reaktionen von Vorstandsseite. »Wir warten jetzt in Ruhe und Gelassenheit ab.« Zu den ersten Gottesdiensten sind jeweils 15 Beter und Beterinnen gekommen.
»Wir wollen niemandem auf die Füße treten oder jemanden verärgern«, betont Zamory. Es gehe lediglich darum, der Gemeinde eine längst überfällige Alternative anzubieten. »Wir sehen uns als eine Ergänzung, nicht als Konkurrenz. Unsere Position ist, dass jeder Jude und jede Jüdin nach seiner und ihrer Fasson in einer gemeinsamen Gemeinde glücklich werden soll.« Es ginge nicht darum, orthodoxe Praktiken infrage zu stellen. In anderen Städten, wie beispielsweise Frankfurt, gibt es schon seit Jahren Egalitäre Minjanim.
Vergleich Zamory erzählt von einem Besuch am Main, wo in der großen Westend-Synagoge die verschiedenen Gemeinden unter einem Dach ihre Gebetssäle haben. Auch dort agierte der Egalitäre Minjan zunächst au- ßerhalb der Gemeinde, bis der damalige Vorsitzende Ignatz Bubis sagte: »Ihr müsst auch Forderungen an uns stellen!« Der weitere Verlauf war nicht immer konfliktlos, habe aber zu einer mittlerweile seit Jahren bestehenden friedlichen Koexistenz geführt, berichtet Zamory. Gegenseitiger Respekt sei für ihn der Schlüssel zu einem gemeinsamen Nebeneinander.
Vor allem für die jüngere Generation müssten die Gemeinden offener und attraktiver werden, sagt Zamory, der beim Limmud-Treffen am Werbellinsee im vergangenen Jahr ein mögliches Zukunftsmodell entdeckte. »Dort gab es Gottesdienste von den verschiedensten Gemeinden, gleichzeitig und nebeneinander.«
Alternative Gemeinsam mit seiner Frau organisiert Zamory auch den Tag der jüdischen Kultur, dieses Jahr bereits zum dritten Mal in Hamburg. Auch dort war die Zukunft Thema, und die Gäste diskutierten ausführlich über die Bedeutung der Einheitsgemeinde für die Juden in Deutschland. Zamory ist der Meinung: »Wenn man den Ultraorthodoxen von Chabad begegnen will, geht das nur, indem man selbst eine Alternative bietet.«
Die gibt es nun in Hamburg, auch wenn die Kabbalat Schabbat bisher mit auswärtigen Kantorinnen gefeiert werden kann. »Es ist noch ein zartes Pflänzchen«, sagt Zamory und hofft, dass bald mehr Teilnehmer zu den Gottesdiensten kommen werden, das nächste Mal am 25. November 18.30 Uhr.