Berlin zählte einst zu den Metropolen des Kunsthandels. Rund 800 Händler lassen sich für den Zeitraum zwischen 1928, der Hochzeit der Weimarer Republik, und 1943, dem Anfang vom Ende der Reichshauptstadt, aus den Berliner Adressbüchern ermitteln. Nicht weniger als 312 von ihnen wurden 1933 aus der »Reichskulturkammer«, in der alle Galeristen zuvor zwangsweise Mitglieder geworden waren, ausgeschlossen, weil sie als »nicht-arisch« abgestempelt wurden.
Mit dem Berliner Kunsthandel verbinden sich Namen wie Alfred Flechtheim, Paul Cassirer oder Fritz Goldschmidt, die nun als »Kunstjuden« diffamiert und nach und nach aus dem Handel gedrängt wurden. Eine zusammenfassende Darstellung des Berliner Kunsthandels zur NS-Zeit hat bislang gefehlt. Das Aktive Museum Faschismus und Widerstand wagt nun einen ersten, noch lückenhaften Überblick und stellt in den Räumen des Centrum Judaicum die Ergebnisse einer bewundernswerten Forschungsleistung dar. Gab es bislang schon eine Reihe von Untersuchungen zur Tätigkeit einzelner Galerien, so ist die Ausstellung unter dem doppeldeutigen Titel »Gute Geschäfte« der Versuch, die Gesamtheit des Berliner Kunsthandels in den Blick zu nehmen.
Unterscheidung Vier Bereiche sind dabei zu unterscheiden. Zum einen die Galerien, die ab 1933 nicht mehr als »arisch« galten und die zumeist, wie Flechtheim, der von den Nazis ohnehin angefeindeten modernen Kunst verpflichtet waren. Sie überschneiden sich mit den Galerien, die ab 1937, von der Be-schlagnahmungsaktion der »Entarteten Kunst« an, von Schließung und Berufsverbot bedroht waren, wie beispielsweise die heute noch bestehende Galerie Nierendorf. Davon wiederum ist jenes Quartett zu unterscheiden, dem der Verkauf, in der NS-Terminologie die »Verwertung« von »entarteter Kunst« ausdrücklich gestattet worden war: die Galerien Böhmer, Buchholz und Möller in Berlin sowie Gurlitt in Hamburg.
Schließlich sind die Galerien und Auktionshäuser gesondert zu betrachten, die eine besonders schändliche Rolle im NS-System spielten: diejenigen, die beschlagnahmten jüdischen Besitz, in der Regel Wohnungseinrichtungen und zugehörige Privatsammlungen, an »Volksgenossen« verscherbelten, oft sogar in den durch die Vertreibung ihrer jüdischen Bewohner frei gewordenen Wohnungen und Häusern selbst.
Galerie Exakte Abgrenzungen zwischen diesen einzelnen Kategorien sind jedoch kaum möglich. Zu eng verwoben war der Berliner Kunsthandel. In ihm spiegelt sich die Geschichte der Zeit zwischen den Kriegen. Beispielhaft ist die heute gänzlich in Vergessenheit geratene, damals hoch bedeutende Galerie Matthiesen, die in einem Palais der vornehmen Viktoriastraße residierte. Der Name stammt vom Mädchennamen der Frau des Inhabers, Franz Catzenstein, der 1933 zunächst nach Zürich floh und sich später im Londoner Exil Francis M. Matthiesen nannte. Dank seiner internationalen Kontakte war er am Verkauf von Spitzenwerken aus der Eremitage im nunmehrigen Leningrad durch die Sowjetregierung beteiligt. Zatzenstein-Matthiesen – wie er in Deutschland hieß – blieb bis 1935 Geschäftsführer seiner Galerie-GmbH.
1939 wurde die Gesellschaft »arisiert« und typischerweise von zwei bisherigen Angestellten übernommen – die ihre Gelegenheit zu »Guten Geschäften« witterten und fortan Verkäufe für Hitlers Museum am geplanten »Alterssitz« tätigten, den berüchtigten »Sonderauftrag Linz«. »Man ist kein Mensch mehr in diesen Zeiten«, schrieb Matthiesen 1938 resigniert, als ihm in London die »Judenvermögensabgabe« zugestellt wurde. Die nach Holland verlagerten Kunstwerke aus seinem Vermögen erhielt Matthiesen erst 1950 zurück – immerhin, wie man beim Vergleich mit so vielen anderen, ihres Eigentums beraubten jüdischen Kollegen sagen muss.
So ist die Ausstellung zugleich eine Mahnung, die vielen, immer noch offenen Vermögensfragen aufgrund »verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts« endlich und energisch aufzuklären. Nicht allein jüdische Kunsthändler haben unter dem Terror des NS-Regimes gelitten, wie die Ausstellung zeigt, sie aber am stärksten und beschämenderweise auch am längsten.
»Gute Geschäfte. Kunsthandel
in Berlin, 1933–1945«, bis 31. Juli,
So und Mo 10–20 Uhr,
Di bis Do 10–18,
Fr 10–17, Sa geschlossen.
Centrum Judaicum, Oranienburger Straße 28-30,
www.centrumjudaicum.de
www.aktives-museum.de