Beim »Europäischen Tag der jüdischen Kultur«, der am Sonntag zum 18. Mal stattfand, durfte ein Programmpunkt nicht fehlen: Chaim Frank und seine Führung »Auf den Spuren jüdischen Lebens« durch die Altstadt. Selbst Münchner, die sich mit der Geschichte ihrer Stadt eingehend beschäftigt und dabei das jüdische Kapitel nicht ausgeblendet haben, waren überrascht von der Detailkenntnis und den geschichtlichen Zusammenhängen, an denen Chaim Frank die Teilnehmer seiner Führungen teilhaben ließ.
Am Sonntag hat Chaim Frank zwar etwas über sein Alter geschimpft, das seinen Tatendrang begrenzen würde. Zwei Führungen, die jeweils eineinhalb Stunden dauerten und quer durch die Münchner Altstadt verliefen, sind trotzdem dabei herausgekommen. Fast 30 Jahre ist Frank nun schon als eine Art jüdischer Geschichtslehrer unterwegs und hat unzähligen Menschen das jüdische München nähergebracht. »Ich denke, dass es 20.000 Teilnehmer gewesen sein könnten«, sagt Frank.
Synagoge Am Marienhof machte er bei seiner Reise in die Vergangenheit jüdischen Lebens in München auch am vergangenen Sonntag Station. Dort, wo jetzt ein Teil der neuen U-Bahn-Stammstrecke entsteht und die Szenerie von Bauarbeiten und ihren Gerätschaften dominiert wird, wurden vor einigen Jahren noch ein paar Reste des Fundaments von Münchens erster Synagoge vom Ende des 13. Jahrhunderts gefunden. Zu sehen ist davon nichts mehr, aber Chaim Frank nahm den historischen Ort zum Anlass für eine Kurzbeschreibung des religiösen Lebens der Juden in der Stadt – quer durch die Jahrhunderte bis in die Gegenwart.
Die einstige »Hauptstadt der Bewegung«, in der sieben Jahrzehnte nach dem Ende der Nazizeit die inzwischen zweitgrößte jüdische Gemeinde Deutschlands lebt, ist auch für Chaim Frank zum Ankerpunkt in seinem stürmischen Leben geworden. Seit Anfang der 80er-Jahre lebt er in München und gehört der Israelitischen Kultusgemeinde an, für die er Führungen anbietet. Viele Interessierte hat er auch schon über den Alten Jüdischen Friedhof geführt, der die Geschichte der Juden in München widerspiegelt – auch die Zeit des Nationalsozialismus.
So vielfältig wie die jüdische Kultur ist seine berufliche Lebensgestaltung. Kunsthistoriker wurde er mit einem Studium in Wien, praktisch umgesetzt hat er sein Wissen als Restaurator von Gemälden, spezialisiert auf das 18. Jahrhundert. Als Archivar hat er für die Gemeinde Akzente gesetzt, ist als Sozialpädagoge an einer Hauptschule beschäftigt und bringt Lernbegierigen Jiddisch an der Volkshochschule bei. Außerdem arbeitet er noch an einem sechsbändigen Werk zur jüdischen Geschichte.