Mit einem gemeinsamen Gebet in der Ohel-Jakob-Synagoge hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder auf eindrucksvolle Weise seine Solidarität mit der jüdischen Gemeinde bekundet. In seiner Rede erklärte er, dass sein Besuch ein Bekenntnis ist und für ihn zugleich die Verpflichtung darstellt, jüdisches Leben zu schützen. IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch sprach vor dem Hintergrund des zunehmenden Antisemitismus von einem »starken Zeichen« des Ministerpräsidenten.
»Wir haben nicht die Worte, Ihnen zu danken.« So eröffnete Gemeinderabbiner Shmuel Aharon Brodman am Montagnachmittag das gemeinsame Gebet in der Hauptsynagoge der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern am Jakobsplatz. Der Wunsch des Ministerpräsidenten, am Gebet teilzunehmen, sei alles andere als selbstverständlich. Es zeige aber, dass ihm die jüdische Gemeinde wichtig sei. »Dieser Tag«, so Brodman weiter, »wird in den Geschichtsbüchern festgehalten werden.«
gesellschaft Bevor Söder auf Deutsch und der Gemeinderabbiner auf Hebräisch gemeinsam aus den Psalmen 117 und 121 rezitierten, ging er in seiner Rede auf das Anwachsen des Antisemitismus ein. »Wir spüren alle«, sagte er, »dass sich etwas in der Gesellschaft ändert.« Er sprach in diesem Zusammenhang auch davon, dass es seine »tiefe Überzeugung« ist, dass Antisemitismus nicht nur jüdische Menschen betrifft, sondern die ganze Gesellschaft.
»Heute geht es längst wieder um die Zukunft jüdischen Lebens in unserem Land.«IKG-Vorsitzende Charlotte Knobloch
In der bis auf den letzten Platz besetzten Synagoge äußerte sich der Ministerpräsident besorgt über den zunehmenden Judenhass. »Antisemitismus«, stellte er mit Blick auf die aktuelle Entwicklung fest, »zeigt sich offener, aggressiver, und er traut sich mehr.« Wenn Schüler auf dem Schulhof beschimpft und Familien bedroht würden, wenn sich jüdische Menschen nicht mehr mit einer Kippa in die Öffentlichkeit trauten, dann sei der Punkt erreicht, an dem der Staat handeln müsse.
»Betroffen und beschämt sein«, sagte Söder, »reicht nicht mehr aus.« Er sprach sich für härtere Strafen bei Antisemitismus aus. In seiner Ansprache betonte er, ein aktives Eintreten gegen Judenhass sei »gemeinsamer Auftrag« der Gesellschaft und der Politik.
Mit den Worten »Keine Toleranz gegenüber Intoleranten« bezog Bayerns Ministerpräsident speziell die AfD und ihre Anhänger mit ein. Söder erinnerte dabei an »einen Tiefpunkt« im Bayerischen Landtag, als im Juni ein AfD-Abgeordneter beim Gedenken für den ermordete Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke »bewusst« sitzen geblieben sei. Mit Blick auf rechte politische Erscheinungen wie die AfD, die er als »Heimat für alte Gedanken und alte Nazis« bezeichnete, sagte Söder: »Diese politischen Bewegungen sind nicht bürgerlich, sondern anti-bürgerlich.«
sicherheit IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch sprach am Ende der Gebetsstunde sicherlich im Namen aller Anwesenden, als sie sich bei Ministerpräsident Markus Söder für seinen Besuch bedankte, vor allem aber für seine klare Positionierung an der Seite der jüdischen Gemeinde. »Das ist ein wichtiges Zeichen der Solidarität, der Sensibilität, der Sicherheit«, erklärte sie.
Die Frau an der Spitze der Israelitischen Kultusgemeinde, die schon vor Jahren vor den jetzt offen zutage tretenden antisemitischen Tendenzen in der Gesellschaft warnte, musste im Beisein des Ministerpräsidenten ein nüchternes Fazit ziehen. Explosionsartig, so Charlotte Knobloch, habe sich der »neue, alte Antisemitismus« in den vergangenen Jahren erneut in der Mitte der Gesellschaft ausgebreitet. Was das für die jüdische Gemeinschaft bedeutet, formulierte sie mit den Worten: »Heute geht es längst wieder um die Zukunft jüdischen Lebens in unserem Land.«
Charlotte Knobloch bezeichnete politischen Rückhalt als »besonders bedeutsam«.
»Wir sind hier, und wir bleiben hier.«IKG-Vorsitzende Charlotte Knobloch
Angesichts der aktuellen Lage bezeichnete die IKG-Präsidentin gesellschaftlichen Beistand und politischen Rückhalt als »besonders bedeutsam«. Direkt an den Ministerpräsidenten gewandt, sagte sie: »Ich danke Ihnen für Ihre wichtigen und ermutigenden Worte, die uns alle so viel bedeuten.«
In ihrer Rede machte sie auch deutlich, was der Begriff Heimat für einen jüdischen Menschen bedeute. »Heimat«, sagte Charlotte Knobloch, »ist nur dann wirklich Heimat, wenn wir alle sie unbeschwert und sicher miteinander teilen können. Wir stehen deshalb in der Pflicht, unser Gemeinwesen gegen die Verrohung und Vergiftung zu schützen, die religiöser Fanatismus, politischer Extremismus und jene gefährliche Schnittmenge beider Phänomene, der Antisemitismus, tagtäglich verursachen.«
Charlotte Knobloch sagte am Ende aber auch einen Satz, der keine Spur von Resignation oder Mutlosigkeit ausstrahlte, ganz im Gegenteil. »Wir sind hier, und wir bleiben hier«, stellte sie kurz und bündig fest.
persönlichkeiten Für den musikalischen Rahmen der Gebetsstunde, an der zahlreiche bekannte Persönlichkeiten aus den unterschiedlichsten Bereichen teilnahmen, sorgte »Schma Kaulenu«, der Synagogenchor unter der Leitung von David Rees.
Unter den Gästen befanden sich (in alphabetischer Reihenfolge): Polizeipräsident Hubertus Andrä, Horst Arnold, MdL, Kulturreferent Anton Biebl, Konsulin Orit Danon, Brigadegeneral Helmut Dotzler, Kommunalreferentin Kristina Frank, der Vizepräsident des Bayerischen Landtags, Karl Freller, Stadtkämmerer Christoph Frey, LKA-Präsident Robert Heimberger, Gesundheits- und Umweltreferentin Stephanie Jacobs, Regierungsvizepräsident Walter Jonas, Stadtdekanin Barbara Kittelberger, Peter Küspert, der Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, Bezirkstagspräsident Josef Mederer, Michael Piazolo, Staatsminister für Unterricht und Kultus, Oberkirchenrat Stefan Reimers, Oberbürgermeister Dieter Reiter, Generalstaatsanwalt Reinhard Röttle, der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern, Karl-Heinz Rummenigge, Julika Sandt, MdL, Josef Schmid, MdL, Zentralratspräsident Josef Schuster, der Antisemitismusbeauftragte Ludwig Spaenle, Staatssekretärin Anna Stolz, Florian Streibl, MdL, Bildungs- und Sportreferentin Beatrix Zurek sowie Herzog Franz von Bayern.