Frau Generalkonsulin, Sie haben Ihr Amt vor knapp einem halben Jahr angetreten. Wie Bayerisch sind Sie denn schon? Können Sie mit dem Begriff »O’zapft is« bereits etwas anfangen?
Da ich beim vergangenen Oktoberfest schon hier in München war, weiß ich, was es bedeutet. An dem Begriff kommt man ja nicht vorbei. Aber mit den unterschiedlichen Dialekten wird es schwierig werden, ich bin ja nicht nur für Bayern zuständig.
Sondern?
Als Generalkonsulat des Staates Israel sind wir als diplomatische Vertretung für die fünf süddeutschen Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen und Saarland zuständig. Das ist ein großer Teil Deutschlands und ein wirtschaftlich und kulturell besonders wichtiger. Und dann sollte man noch beachten, dass gerade die Verbindungen zwischen Israel und dem süddeutschen Raum besonders stark sind.
Und deshalb gibt es hier ein Generalkonsulat des Staates Israel und nicht woanders?
Genau. Sie müssen wissen, dass unser Generalkonsulat in München das einzige in der gesamten EU ist. Überall sonst gibt es nur israelische Botschaften in den jeweiligen Hauptstädten. Der Freistaat Bayern hat gerade, in Anwesenheit von Staatsministerin Beate Merk, als erstes Bundesland eine Auslandsvertretung in Israel eröffnet. Ebenfalls ein Schritt, der die guten Beziehungen unterstreichen und ausbauen soll.
Worauf richten Sie Ihr Augenmerk besonders?
Die Pflege und der Ausbau der sehr engen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland ist ein grundsätzliches Handlungskonzept. Mein Fokus wird sich dabei besonders auf die Arbeit mit jungen Menschen richten. Diese sind schließlich die Zukunft, und die möchten wir mitgestalten.
Wie stellen Sie sich die Mitwirkung in Bezug auf junge Menschen konkret vor?
Neben der gemeinsamen Vergangenheit, welche immer von besonderer Bedeutung für unsere beiden Länder und auch für mich bleiben wird, müssen wir auch eine stabile und gute Beziehung für die neue Generation von Deutschen und Israelis schaffen. Wir versuchen zunächst einmal, die kommenden Meinungsbildner in den Bereichen Politik, Kultur, Wirtschaft, Medien und Bildung zu identifizieren und diese dann gezielt anzusprechen.
Um was zu erreichen?
Wir möchten die vielen schönen Gesichter Israels zeigen, die leider viel zu wenig in Deutschland bekannt sind. Israel ist nicht nur Religion oder Militär. Israel ist jung, vielseitig, innovativ, kreativ, liberal und weltoffen. Deutschland und Israel haben sehr viele gemeinsame Werte und Interessen. Wir müssen uns gegenseitig ergänzen und voneinander lernen. Hier möchte ich zum Beispiel das Thema Cybersicherheit nennen, bei dem Israel Weltmarktführer ist und Deutschland beratend zur Seite steht.
Wie sehen Ihre ersten Erfahrungen aus?
Ich reise gerade sehr viel durch Süddeutschland, um eigene Eindrücke zu gewinnen. Dabei treffe ich jeden Tag interessante Menschen, und ich habe bereits viele wichtige Partner kennengelernt. Ganz neu ist Deutschland aber nicht für mich, da ich in den letzten Jahren privat schon in verschiedenen Regionen unterwegs war. Überrascht war ich jedes Mal, wie abwechslungsreich das Land ist.
Hatten Sie schon ein bisschen Zeit, sich hier genauer umzusehen?
München und das Umland sind wunderschön. Die Stadt hat kulturell so viel zu bieten, und ich versuche, so oft wie möglich in Museen oder Konzerte zu gehen. Und dann natürlich das fantastische Umland. Die nahen Seen und Berge sind ideal für Ausflüge. Was sicher nicht nur mir, sondern jedem Neuankömmling so geht: Man ist beeindruckt, wie sauber die Stadt ist.
Sie kennen Deutschland aber auch schon aus beruflicher Sicht, wenn man auf Ihren Lebenslauf blickt.
Ja, ich bin beruflich bereits das zweite Mal in Deutschland. Von 2012 bis 2014 war ich politische Beraterin an der Botschaft in Berlin.
Von der Bundeshauptstadt in die bayerische Landeshauptstadt: Hatten Sie schon Kontakt zur jüdischen Gemeinde in München?
Es freut mich wirklich, eine so engagierte Gemeinde wie die IKG in München vorzufinden. Besonders Präsidentin Knobloch habe ich in der kurzen Zeit als äußerst zuvorkommende und verlässliche Partnerin Israels kennengelernt. Sie ist in ihrer Funktion bereits seit 32 Jahren tätig, das finde ich sehr bewundernswert, und sie ist für mich, auch als Frau, in dieser Funktion eine Inspiration.
Charlotte Knobloch kennt München noch aus persönlicher Erfahrung als »Hauptstadt der Bewegung«. Wie gehen Sie damit um?
Das neue Israelische Generalkonsulat steht mitten im ehemaligen Naziviertel – und es ist natürlich sehr bedeutsam, dass es sich genau dort im »Braunen Viertel« befindet. Damals wurde an diesem Ort – dem Herzen des Bösen, möchte ich sagen – die Zerstörung des jüdischen Volkes geplant. Heute arbeiten wir genau hier an den deutsch-israelischen Beziehungen. Das bewegt und berührt mich zutiefst. Es macht mich aber auch enorm stolz, dass genau an diesem Ort heute eine israelische Flagge weht.
Der BDS-Bewegung dürfte das eher ein Dorn im Auge sein. Ist Israel-Bashing eine neue Form von Antisemitismus?
Zunächst möchte ich sagen, dass natürlich nicht jede Israelkritik antisemitisch ist. Und doch ist ganz klar, dass es bei gewissen Gruppierungen besonders angesagt ist, Israel zu kritisieren. Man muss sehr hellhörig sein, wer Israel wegen was und wie kritisiert. Antisemitismus gibt es nicht nur bei der extremen Rechten, es gibt ihn ebenso bei der extremen Linken und sogar, nicht selten und oft unwissentlich, in der Mitte der Gesellschaft. Antisemitismus verändert sich, und selbst wenn er nicht offen ausgelebt wird, heißt es nicht, dass er nicht vorhanden ist.
Münchens Stadtrat hat den Beschluss gefasst, BDS und seinen Unterstützern keine Räume und finanziellen Mittel mehr zur Verfügung zu stellen. Ist das der richtige Weg?
Über diesen wegweisenden Beschluss habe ich mich sehr gefreut. CSU und SPD haben den Antrag »Gegen jeden Antisemitismus! – Keine Zusammenarbeit mit der antisemitischen BDS-Bewegung« über Parteigrenzen hinweg eingereicht und eine überwältigende Zustimmung bekommen. Das belegt, dass es zum Glück viele engagierte Menschen, Privatpersonen und Politiker gibt, die sich kontinuierlich für Gerechtigkeit einsetzen und gegen BDS vorgehen. Diesen Menschen gebührt mein ganz besonderer Dank.
Im politischen Spektrum Deutschlands ist die AfD zu einer offenbar festen Konstante geworden. Wie sehen Sie das?
Das Abschneiden der AfD bei der letzten Bundestagswahl ist für mich persönlich wie auch aus israelischer Sicht natürlich nicht erfreulich. Äußerungen wie das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin als »Denkmal der Schande« zu bezeichnen oder zu behaupten, dass man stolz auf die Leistungen der Wehrmachtssoldaten sein sollte, beunruhigen mich als Israelin und Jüdin sehr.
Als Generalkonsulin haben Sie die Möglichkeit, entsprechend darauf einzuwirken. Haben Sie sich um das Amt beworben, oder wird man berufen?
Ich habe mich um die Position beworben. Generell ist es so, dass jede Position als Gesandte des Außenministeriums unter Bewerbern vergeben wird. Insbesondere Stellen in Deutschland sind für israelische Diplomaten sehr interessant und wichtig, was an den besonderen Beziehungen unserer beiden Länder liegt. Daher gab es auch für meine Position der Generalkonsulin in München zahlreiche Bewerber. Ich bin sehr froh und stolz, dass letzten Endes ich nach München berufen wurde.
Was liegt Ihnen bei Ihrer Arbeit besonders am Herzen?
Die Unterstützung zahlreicher israelischer Künstler bei Aufführungen und Ausstellungen im süddeutschen Raum. Vor allem über die positive Resonanz seitens des deutschen Publikums freue ich mich. Das zeigt, dass Kultur ein ganz besonders erfolgreicher Botschafter unseres Landes ist. Auf diese Weise wird die Vielfalt Israels sichtbar.
München und Bayern haben auch schöne Gesichter.
Ja, mit meiner Familie genieße ich es, in der Natur zu sein. Aber auch München selbst hat ja die Isar und den Englischen Garten. So naturbelassene Orte mitten in der Stadt zu haben, ist wirklich etwas Besonderes.
Das Interview mit Israels Generalkonsulin in München führte Helmut Reister.