Vor zwei Jahren, in der Nacht vom 1. auf den 2. November, wurde die eiserne Eingangstür zum ehemaligen Konzentrationslager Dachau aus der Verankerung gehebelt und gestohlen. Jetzt tauchte das zwei Zentner schwere Tor mit dem zynischen, von den Nazis kreierten Schriftzug »Arbeit macht frei« nach einem anonymen Hinweis wieder auf – fast 2000 Kilometer von Dachau entfernt in der norwegischen Stadt Bergen.
Eine Zeugin hatte unmittelbar nach dem spurlosen Verschwinden der Eisentür zwar einen Hinweis auf ein Fahrzeug mit skandinavischem Kennzeichen gegeben, doch die Angaben waren nicht genau genug. So blieben die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München und der Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck, die Dutzende Spuren verfolgten, stecken. Auch eine Belohnung von 10.000 Euro für Hinweise auf die möglichen Täter half nicht.
Nach Angaben der norwegischen Polizei führte ein anonymer Hinweis zum Fund des Tors. Es lehnte, umgeben von Müll, in einer unbewohnten Gegend bei Bergen an einer Mauer. Roststellen deuten darauf hin, dass es offenbar schon längere Zeit dort im Freien gelegen haben muss. Wie das schwere Tor dorthin gelangte, ist völlig offen. »Es gibt derzeit keine Hinweise auf mögliche Täter«, erklärte ein Sprecher der Polizei.
Gedenkstätte Sobald die kriminaltechnischen Untersuchungen, die nur wenige Tage in Anspruch nehmen dürften, abgeschlossen sein werden, soll das Eisentor so schnell wie möglich wieder nach Dachau zurückgebracht werden. Dies wird aller Wahrscheinlichkeit nach noch in diesem Jahr geschehen, hieß es aus Ermittlerkreisen. Für Gabriele Hammermann, Leiterin der Gedenkstätte Dachau, besteht kein Zweifel, dass es sich tatsächlich um das gestohlene Tor handelt. Das, so Hammermann, ergebe sich aus einigen individuellen Merkmalen.
Die Leiterin der Gedenkstätte kündigte auch an, dass das Tor nach einer Restaurierung wieder der Öffentlichkeit präsentiert werde. Ob wieder an historischem Standort oder als Teil der Dauerausstellung, das werde zusammen mit den Gremien der Stiftung Bayerische Gedenkstätten entschieden, erklärte sie. Im vergangenen Jahr, kurz vor der Gedenkveranstaltung zum 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers, war das Tor durch eine Kopie ersetzt worden.
Der Diebstahl des Lagertors mit dem Schriftzug »Arbeit macht frei«, zentrales Symbol des Leidensweges der KZ-Häftlinge, hatte weltweit für Entsetzen gesorgt. Auch IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch zeigte sich nach der Tat fassungslos und sprach von einem »Akt der Schande«. Jetzt hofft sie, dass auch die Täter noch ermittelt und zur Rechenschaft gezogen werden können.
Mit großer Genugtuung nahm Jean-Michel Thomas, Präsident des Internationalen Dachau-Komitees, die Nachricht vom Auffinden des Tores zur Kenntnis. Er bezeichnete den Diebstahl als »eine Entweihung« der Gedenkstätte. »Auch wenn die Hintergründe für diese abscheuliche Tat noch nicht bekannt sind, so danke ich im Namen des Überlebendenverbandes für die Aufdeckung des Verbrechens und die internationale Anteilnahme nach dem Diebstahl des Lagertors.«
Erfreut von der aktuellen Entwicklung zeigte sich auch Karl Freller, Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten: »Es ist für mich eine Erleichterung, dass dieser Originalbeweis für den Zynismus und die Menschenverachtung der Nazis wiedergefunden wurde. Ich gratuliere zu dem grenzübergreifenden Erfolg der Sicherheitsbehörden.«
Prototyp Das Konzentrationslager Dachau wurde bereits wenige Wochen nach der Machtübernahme des NS-Regimes im März 1933 von dem damaligen Münchner Polizeipräsidenten und SS-Reichsführer Heinrich Himmler errichtet und blieb bis zum Ende des NS-Regimes zwölf Jahre lang bestehen. In den Anfangsjahren diente es vor allem zur Inhaftierung und Abschreckung politisch Andersdenkender und wurde zum Prototyp aller danach entstehender Konzentrationslager im Reichsgebiet.
Nach der Pogromnacht im November 1938 inhaftierte die SS, die mit dem KZ Dachau einen »Staat im Staate« schuf, politische Gegner, unterdrückte und ermordete verstärkt Juden. Nach Kriegsbeginn wurden auch Menschen aus den besetzten Gebieten Europas dorthin gebracht.
Das KZ Dachau, in dem SS-Führungspersonal und -Wachmannschaften für ihren Einsatz in den »Todesfabriken« ausgebildet wurden, war zwar kein Vernichtungslager, aber in keinem anderen Konzentrationslager wurden so viele politische Morde verübt wie dort.
Von den insgesamt mindestens 200.000 Dachauer Haftinsassen starben etwa 41.500. Zusätzlich deportierte die SS von dort aus häufig Häftlinge in Vernichtungslager.