Am Gedenkort »Gleis 17« in Berlin-Grunewald ist am Mittwochmittag an den Beginn der nationalsozialistischen Deportation von Juden aus Berlin vor 73 Jahren erinnert worden. Zu der Gedenkveranstaltung hatten der Berliner Senat, die Jüdische Gemeinde zu Berlin, die Ständige Konferenz der Leiter der NS-Gedenkorte im Berliner Raum und die Deutsche Bahn eingeladen. Insgesamt nahmen an der Veranstaltung mehr als 300 Menschen teil. Neben Repräsentanten aus Kultur und Politik waren vor allem viele Berliner Bürger gekommen, darunter zahlreiche Schulklassen.
In seiner Begrüßungsrede erinnerte Andreas Nachama, Direktor der Stiftung Topographie des Terrors, an das Schicksal von Gert Rosenthal – stellvertretend für die jüdischen Kinder, Frauen und Männer, die ab dem 18. Oktober 1941 in sogenannten Osttransporten vom Bahnhof Grunewald in Richtung Litzmannstadt deportiert wurden.
Der jüngere Bruder des späteren Berliner Entertainers Hans Rosenthal war im Alter von zehn Jahren am 19. Oktober 1942 von hier aus mit anderen Kindern und Jugendlichen aus dem jüdischen Waisenhaus an der Schönhauser Allee nach Riga deportiert und dort ermordet worden.
Mahnung In ihren anschließenden Grußworten mahnten Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und der Antisemitismus-Beauftragte der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Rabbiner Daniel Alter, neben dem öffentlichen Gedenken insbesondere »dem persönlichen Gedenken einen Sinn zu geben und das individuelle Handeln danach auszurichten«.
Wie das persönliche Erinnern nachfolgender Generationen konkret aussehen kann, zeigten anschließend Schüler des Europäischen Gymnasiums Bertha von Suttner. Monatelang hatten die Berliner Schüler Biografien von Deportierten recherchiert und deren Lebensgeschichten rekonstruiert.
Ihr Anliegen war es vor allem, die »Einzelschicksale hinter den Zahlen« zu begreifen, um dem Verlust des aktiven Erinnerns einen persönlichen Bezug entgegenzuhalten. Denn, so die Schüler in ihrem Vortrag, man müsse »rückwärts blicken, um nach vorne schauen zu können«.
Kaddisch Die anschließende Gedenkrede hielt die Schoa-Überlebende Margot Friedländer. Die heute 93-Jährige lebte bis zu ihrer Verschleppung in das KZ Theresienstadt 1944 im Untergrund in Berlin. Friedländer war 2010 in ihre Heimatstadt Berlin zurückgekehrt, um in Schulen und Einrichtungen persönlich Zeugnis über die Schoa abzulegen.
Abschließend legten die Teilnehmer der Gedenkveranstaltung am »Gleis 17« weiße Rosen nieder, während Rabbiner Daniel Alter das Kaddisch sprach.
Vom S-Bahnhof Grunewald aus fuhren von Herbst 1941 bis Frühjahr 1942 Deportationszüge mit Berliner Jüdinnen und Juden in den Osten. Seit 1998 erinnert das Denkmal »Gleis 17« an die Transporte der Deutschen Reichsbahn.