Der Eröffnungsfilm hat es in sich – und wird als Weltpremiere präsentiert: Bei der Gala zum Auftakt des Jüdischen Filmfestivals Berlin & Brandenburg (JFBB) an diesem Samstagabend in Potsdam läuft die israelische-deutsche Koproduktion 90 Minuten – bei Abpfiff Frieden (Milhemet 90 Hadakot) von Eyal Halfon.
Die Handlung des 83-minütigen »Mockumentary«, einer Politsatire, die ab dem 30. Juni auch in deutschen Kinos zu sehen sein wird, bringt den Überdruss am israelisch-palästinensischen Konflikt mit grimmigem Humor auf den Punkt: Die internationale Gemeinschaft ist die jahrzehntelang vergeblichen Versuche leid, Frieden im Nahen Osten zu stiften.
Deshalb soll das Schicksal beider Völker, Israelis und Palästinenser, in einem Fußballspiel in Portugal entschieden werden. Die Vereinbarung lautet: Der Gewinner darf im Heiligen Land bleiben, der Verlierer muss das Territorium räumen. Von weiteren Vermittlungsmissionen wird abgesehen.
Doch ohne Letztere – zumindest von Sportverbänden – läuft erstmal gar nichts: Der palästinensische und der israelische Fußballfunktionär (dargestellt vom arabisch-israelischen Schauspieler Norman Issa und seinem jüdischen Kollegen Moshe Ivgy) bekommen sich schon im Vorfeld in die Haare und können sich weder auf Kriterien für die Auswahl der Spieler noch auf einen neutralen Schiedsrichter einigen.
überfordert Der deutsche Trainer der israelischen Nationalmannschaft, Jan Müller (Detlev Buck), ist wiederum von seiner politisch allzu bedeutsamen Aufgabe heillos überfordert, während ein arabisch-israelischer Spieler von beiden Mannschaften umgarnt wird und in einen schweren Loyalitätskonflikt gerät.
Festivalleiterin Nicola Galliner hält 90 Minuten – Bei Abpfiff Frieden für »einen der besten israelischen Filme der vergangenen Jahre«. In Israel wurde Norman Issa für seine Rolle als palästinensischer Fußballfunktionär bereits mit dem Ophir Award, dem israelischen Oscar, als bester Nebendarsteller ausgezeichnet.
Issa hatte im Sommer 2015 in Israel eine kulturpolitische Debatte ausgelöst, weil er sich als Schauspieler des Theaters Haifa weigerte, jenseits der Grünen Linie im Westjordanland aufzutreten. Kulturministerin Miri Regev (Likud) hatte daraufhin mit dem Entzug von Fördermitteln gedroht.
Ein Problem, das dem Jüdischen Filmfestival Berlin – wenn auch in ganz anderem Zusammenhang – nicht unbekannt ist: Im Februar hatte der Hauptstadtkulturfonds völlig unerwartet seine Förderung zurückgezogen. Gerettet wurde das JFBB durch eine Notförderung des Auswärtigen Amtes.
Fördermittel Galliner ist dankbar und erleichtert über die Rettungsaktion in vorletzter Minute, im Nachhinein aber immer noch schockiert über gesamten Vorgang: »Das war eine Entscheidung, die keiner nachvollziehen konnte. Wie kann man vier Monate vor einem Festival 50 Prozent der Fördermittel streichen?« Nach 22 Jahren, findet die Festivalleiterin, sei es Zeit für eine Dauerförderung – schließlich ist das JFBB das größte und renommierteste jüdische Filmfestival in Deutschland.
Zur Eröffnungsgala im Potsdamer Hans-Otto-Theater werden diesmal unter anderem Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der Regierende Bürgermeister von Berlin Michael Müller (SPD) und Festivalpate Benjamin Sadler erwartet. Insgesamt zeigt das Festival vom 4. bis zum 19. Juni 44 Spiel- und Dokumentarfilme in Berlin und Brandenburg.
Die Verfilmung des Romans Eine Geschichte von Liebe und Finsternis von Amos Oz (Regie und Schauspiel: Natalie Portman) war bereits bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes zu sehen und feiert jetzt beim JFBB in Anwesenheit von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) Deutschlandpremiere.
Ferner gibt es eine Hommage für die vor wenigen Wochen im Alter von 51 Jahren gestorbene israelische Schauspielerin Ronit Elkabetz. Regisseur der erstmals in Deutschland gezeigten Dokumentation Ronit Elkabetz. A Stranger in Paris von 2013 ist Nir Bergman, dessen Film Knafayim Shvurot (Broken Wings) mit dem Panorama-Publikumspreis der Berlinale 2003 ausgezeichnet wurde. Außerdem gedenkt das JFBB der im Oktober 2015 verstorbenen französisch-jüdischen Regisseurin Chantal Akerman mit dem Porträt I don’t belong anywhere: The Cinema of Chantal Akerman von Marianne Lambert (Belgien 2015).
Kochshow Von seiner kulinarischen Seite zeigt sich das Festival mit Hummus! The Movie von Oren Rosenfeld. Der Regisseur porträtiert drei unterschiedliche Protagonisten, die nur die Liebe zum traditionellen Kichererbsenpüree eint: die Muslimin Suheila aus Akko, die sich bei der TV-Kochshow Israel Hummus Genius erfolgreich gegen zehn Männer durchgesetzt hat, den Christen Jalil aus Ramla, der mittlerweile in Berlin lebt und in der deutschen Hauptstadt ein Restaurant mitbetreibt, und den orthodoxen jüdischen Israeli Eliyahu.
Haarig wird es mit Women in Sink, einer 36-minütigen Dokumentation über einen Friseurladen in Haifa. Die jüdische Regisseurin Iris Zaki gibt tiefe Einblicke nicht nur ins Waschbecken, sondern auch in das schwierige Zusammenleben von Juden und Arabern in Israel.
Unter der Überschrift »Begegnung und Talk mit Ilja Richter« stellt der Schauspieler und Autor drei Filme vor, darunter Gott und die Welt – Grenzgänge mit Ilja Richter und Hotel Bogota – eine einmalige Geschichte. Demnächst ins Kino kommt der Festivalbeitrag Dibbuk – eine Hochzeit in Polen von Marcin Wrona, ein Horrorfilm, bei dem es viel zu lachen gibt. Und wer sich für japanischen Klezmer interessiert, kommt auch auf seine Kosten: Kantorin Jalda Rebling präsentiert die Tokioter Klezmer-Gruppe »Jinta-la-Mvta«.
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