Die New Yorker Violinistin Deborah Strauss steht in einem Kreis von 25 Kindern und Jugendlichen. »Das, was jetzt kommt«, sagt sie, »ist sehr wichtig für einen Musiker«. Noten lesen? Improvisieren? Fingerfertigkeit? Nein, Deborah Strauss hüpft, schüttelt sich, lässt den Kopf kreisen – und die Kinder tun es ihr nach. Bei diesem Klezmer-Workshop in der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen geht es offensichtlich anders zu als im Musikunterricht.
Das zeigt sich schon bei den Lehrern, die hier beim Vornamen gerufen und um Autogramme gebeten werden. Neun Musikerinnen und Musiker kümmern sich um die Kinder und Jugendlichen. Sie sind nach Gelsenkirchen gekommen, um beim Festival »Klezmerwelten« zu spielen. Doch Programmleiter Andreas Schmitges hatte eine Idee. »Die Konzerte, die wir anbieten, machen allen Spaß, aber sie sind auch schnell vorbei«, erklärt er. »Wir wollen aber etwas Bleibendes hinterlassen. Und das geht mit jungen Leuten besonders gut.«
Volksmusik Also organisierte er den Klezmer-Workshop für Kinder und bat einige Festivalteilnehmer als Dozenten dazu. »Die Jugendlichen sollen Erfahrungen machen, Dozenten kennenlernen und sehen, wie sie mit Kultur und dieser Volksmusik umgehen«, sagt Schmitges.
Der Workshop für Instrumentalmusik richtet sich an Zehn- bis 19-Jährige. Gleichzeitig üben die Fünf- bis Zehnjährigen jiddische Lieder. Der Höhepunkt: ein gemeinsames Abschlusskonzert im Gelsenkirchener Musiktheater. In drei Reihen stehen die Teilnehmer am Morgen des großen Auftritts im Saal der Gemeinde und singen das Lied von Flaterle, dem Schmetterling. Dozentin Diana Matut kümmert sich um Aussprache und Melodie, denn viele Kinder haben noch kein Wort Jiddisch gehört. In der ganzen Stadt wurde die Veranstaltung beworben, so kamen nicht nur Kinder aus der Gemeinde. »Es hat sich eine lustige Mischung ergeben«, freut sich Schmitges über die christlichen, muslimischen und jüdischen Teilnehmer.
Nach der Einstimmung wird es laut. Im Foyer hauen zwei Mädchen mit dem Londoner Guy Schalom auf die Pauke – pardon: auf die Darbuka. Aus der oberen Etage klingen Gitarrenakkorde, im Saal hat Benjy Fox-Rosen seinen Kontrabass ausgepackt. Wer ein Instrument beherrschte, fand schnell seinen Platz im Ensemble. »Die Kinder saugen das sofort auf«, betont Organisator Schmitges.
Das beste Beispiel dafür ist der 13-jährige David. »Mein Cousin hat mir von dem Workshop erzählt. Da wollte ich dann auch mitmachen«, sagt der junge Geiger. »Vorher habe ich eher klassische Sachen gespielt.« Doch nach einer Woche ist er begeistert von der für ihn neuen Musik. »Es gefällt mir, wie es mal schneller wird, mal langsamer. Ich musste zwar umdenken, aber diese Freiheit im Klezmer macht einfach Spaß.«