Sie ist die erste Frau, der diese hohe Auszeichnung zuteil wurde: Mit einem Festakt in der Paulskirche ist am 16. Oktober Trude Simonsohn das Ehrenbürgerrecht der Stadt Frankfurt verliehen worden, als Anerkennung ihres »unermüdlichen Engagements für Zivilcourage, Verständigung und Demokratie«, wie Oberbürgermeister Peter Feldmann in seiner Rede sagte.
Vor mehreren Hundert Gästen wandte sich Feldmann direkt und sehr persönlich an die Geehrte. »Endlich hast du, liebe Trude, diese Auszeichnung bekommen, die höchste übrigens, die diese Stadt zu vergeben hat«, sagte das Stadtoberhaupt mit spürbarer Bewegtheit in der Stimme. Ihn und die Geehrte verbindet die Erinnerung an ihre jahrelange Zusammenarbeit im Vorstand der Jüdischen Gemeinde Frankfurt.
Zeitzeugin Die Anregung, die 95-Jährige, die die Lager von Theresienstadt und Auschwitz überlebte und seit vielen Jahren als Zeitzeugin den Kontakt und die Auseinandersetzung mit den jüngeren Generationen sucht, zur Ehrenbürgerin zu ernennen, stammt indes nicht von Feldmann selbst. Vielmehr hatten die ehemalige Frankfurter Bürgermeisterin Jutta Ebeling (Grüne), die Begründerin der Stiftung Citoyen, Helga Dierichs, und Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, diesen Vorschlag gemacht. Im Frühjahr dieses Jahres, anlässlich ihres 95. Geburtstags, war bereits ein Hörsaal an der Goethe-Universität nach Simonsohn benannt worden.
In einem Gespräch mit dem jungen Filmemacher Adrian Oeser blickte Trude Simonsohn noch einmal auf ihr langes und sehr bewegtes Leben zurück, in dem so viel Schreckliches geschah und in dem sie dennoch, wie sie selbst betont, auch sehr viel Glück erfahren hat. Sie sei ein glückliches Kind gewesen, sagte sie, »weil mich meine Eltern geliebt haben«. Das Urvertrauen, das sie dank dieser Liebe erworben habe, »behielt ich mein Leben lang, und es hat mir in den entscheidenden Momenten die nötige Kraft gegeben«.
Mehrere glückliche Fügungen und die unerwartete Hilfe anderer Menschen trugen dazu bei, dass sie die Einzelhaft als politische Gefangene, zwei Konzentrationslager und die Flucht aus einem weiteren Lager überstand. So war es zum Beispiel der deutsche Polizeipräsident in ihrer tschechischen Geburtsstadt Olmütz, der verhinderte, dass sie wegen Hochverrats und angeblicher illegaler kommunistischer Aktivitäten standrechtlich erschossen wurde.
Ihren Mann Berthold Simonsohn hatte sie kurze Zeit später in Theresienstadt kennengelernt, wo die beiden auch heirateten. Als er nach Auschwitz deportiert werden sollte, schloss sie sich ihm an, obgleich ihr Name zunächst gar nicht auf der Transportliste stand. An Auschwitz selbst hat sie kaum noch Erinnerungen. »Auch eine Seele kann bewusstlos werden«, lautet ihre Erklärung für diese Gedächtnislücke. Wenn alles vorbei ist, so hatte sich das junge Paar damals geschworen, dann treffen wir uns wieder in Theresienstadt. Und so geschah es auch.
Engagement Seit 1955 lebt Trude Simonsohn in Frankfurt am Main. Hier engagierte sie sich in der Jugendgerichtshilfe der Arbeiterwohlfahrt, war 15 Jahre lang im Vorstand der Jüdischen Gemeinde tätig und hat sich vor allem durch ihr unermüdliches Bemühen um die Jugend große Verdienste erworben. »Ihr seid nicht schuld an der Vergangenheit«, hat sie ihren jungen Zuhörern immer wieder gesagt, »aber ihr seid verantwortlich für das Heute. Wo immer ihr Zeugen von Unrecht und Unterdrückung werdet, meldet euch zu Wort und sagt es rechtzeitig, sagt es laut und sagt vor allem: ›Nein!‹«
Das Frankfurter Ehrenbürgerrecht wird seit 221 Jahren verliehen. Zu den 26 Persönlichkeiten, denen diese Auszeichnung bislang zuteilwurde, gehören unter anderem der ehemalige französische Präsident François Mitterrand, Altbundeskanzler Helmut Kohl, der Philosoph Max Horkheimer und der Verleger Siegfried Unseld. Mit Trude Simonsohn erhalte »eine Persönlichkeit das Ehrenbürgerrecht, die wie keine andere für Humanismus, Aufklärung und eine demokratische Gesinnung gekämpft« habe, und die mit dazu beitrage, dass »Frankfurt als ein Ort gilt, in dem Ausgrenzung und Hass keinen Platz haben«, heißt es in der Begründung.
Simonsohn selbst, die die Auszeichnung im Kreise ihrer Familie entgegennahm, dankte für den »berührenden Festakt« und hob hervor, dass sie zwar nach wie vor nicht in Deutschland zu Hause sei, aber »in Frankfurt zum ersten Male seit 1945 wieder so etwas wie eine Heimat gefunden« habe.