Die Stadt Erfurt hat ein weiteres Pfund in die Unesco-Bewerbung als Weltkulturerbe einzubringen. Vor Kurzem wurden bei Abrissarbeiten 20 mittelalterliche jüdische Grabsteine gefunden. Bagger beförderten sie als barocke Fundamente eines Hauses zu Tage. Sie waren zurechtgehauen, um als Mauersteine zu dienen.
Inzwischen wurden sie im Bauamt aufgereiht und von der Kunsthistorikerin Maria Stürzebecher begutachtet. Der älteste Stein trägt die Inschrift: »Dieses Zeichen wurde errichtet zu Häupten der Frau Dolze, Tochter des Herrn Asher, die verschied und (zu ihren Vätern) versammelt wurde im Jahr neunzehn des sechsten Jahrhunderts« und stammt demnach aus dem Jahr 1259. Damit ist er der älteste bislang entdeckte jüdische Grabstein in Erfurt.
»Insgesamt haben wir über 20 historische Grabsteine aus der Zeit vor der Vertreibung der Juden aus Erfurt im 15. Jahrhundert gefunden«, erklärt der Erfurter Baubeigeordnete Ingo Mlejnek. Komplett erhalten ist allerdings kein einziger der Sandsteine.
Unesco-Bewerbung Mit den neuen Fundstücken erhöht sich die Zahl der in Erfurt entdeckten historischen jüdischen Grabsteine auf etwa 58. »Ich bin froh, dass wir damit einen weiteren Baustein auf dem Weg zur Unesco-Bewerbung dazubekommen haben«, sagte Mlejnek.
Die Vorbereitungen seien mittlerweile so weit fortgeschritten, dass die Bewerbung Thüringens für den Weltkulturerbestatus am 1. August eingereicht werden könne, wenn nötig auch alleine, da eine gemeinsame Bewerbung mit den rheinland-pfälzischen Gemeinden Mainz, Worms und Speyer wohl nicht zustande käme, was Mlejnek bedauert. »Das ist schade, eine Bündelung unsere Kräfte wäre sicher sinnvoll.«
Unbekannt In welch krassem Missverhältnis die Bekanntheit und die Bedeutung der Erfurter Schätze stehen, habe sie bereits mehrfach erfahren müssen, erklärt Stürzebecher. So sei James Robinson, Kurator im British Museum in London bei seiner Thüringen-Visite »völlig fassungslos« gewesen, »als er die Stadt sah und als Mittelalter-Experte noch nie etwas von Erfurt gehört hatte«, erinnert sich Stürzebecher. »Er blieb noch bis spät in die Nacht, um sich alles anzusehen.« Es sei traurig, wie unbekannt die Schätze Thüringens in Deutschland und der Welt seien.
Um Relikte wie die Grabsteine adäquat zu präsentieren, soll der Keller des Steinernen Hauses, eines Profanbaus aus dem Mit- telalter, nun umgebaut werden. Dort sollen sie Fachbesuchern und bei Führungen gezeigt werden, erklärt Stürzebecher. Ein eigener Museumsbetrieb sei dort jedoch nicht geplant. In den kommenden Jahren könnte die Suche nach der zweiten Synagoge beginnen. Über ihren Standort haben die Wissenschaftler schon ein Vermutung. ja