Es war eine torreiche Begegnung, zu der die 2. Herrenmannschaft von TuS Makkabi am Donnerstag, 9. September, beim FC Lübars angetreten war. Das Spiel endete 4:4. Unentschieden. Dennoch hat der TuS Makkabi verloren, nämlich seinen ehemaligen Vorsitzenden Tuvia Schlesinger. Der informierte den Verein, der ihm »40 Jahre eine sportliche Heimat« gewesen sei, schriftlich über seinen sofortigen Austritt. Der Grund: Der Verein habe es zugelassen, dass die Spieler am zweiten Tag von Rosch Haschana ein Punktspiel absolvierten.
Regeln Er sei »immer noch erschüttert«, kein Makkabi-Verein weltweit würde an einem Hohen Feiertag um Punkte kämpfen, nur in Berlin sei so etwas möglich. Der jetzige Vorstand und damit der gesamte Verein hätten »das Recht verwirkt, die jüdische Gemeinschaft zu repräsentieren«, so Schlesinger in seinem Austrittsschreiben. Regeln, Traditionen und Grundfeste der Idee von Makkabi seien »mit Füßen getreten« worden, heißt es weiter.
Während seiner gesamten Vereinsmitgliedschaft seien jüdische Feiertage »entsprechend geehrt« worden. Weder Spiele noch Trainingseinheiten hätten an Rosch Haschana und Jom Kippur stattgefunden. Das gehörte zu der jüdischen Tradition, der sich der TuS Makkabi Berlin mit allen seinen bisherigen Vorständen und einem großen Teil der Mitglieder verpflichtet fühlte, betont Schlesinger, der auch dem Präsidium der Repräsentantenversammlung der Jüdischen Gemeinde angehört.
Reaktion Inge Borck, Ehrenpräsidentin von Makkabi Berlin, hat den Austritt Schlesingers zur Kenntnis genommen. »Doch ob am zweiten Tag Rosch Haschana gespielt werden darf, darüber kann man streiten«, sagt sie. Weiterhin meint Borck, es könne niemand gezwungen werden, den Feiertag zu begehen. »Das ist freiwillig.« Im Übrigen habe sich der Vorstand um eine Terminverlegung bemüht, sagt Vereinsvorstand Isaak Lat. »Doch das hat leider nicht geklappt.« Daraufhin seien die Spieler gefragt worden, ob sie antreten wollten, was sie bejahten. »Bei Nichterscheinen wären drei wichtige Punkte im Kampf um den Klassenerhalt verloren gegangen.«
Zuständig für die Spielansetzungen ist der Berliner Fußball-Verband. Dessen Vorstand ist dieser konkrete Fall noch nicht bekannt. Integrationsbeauftragter Mehmet Matur meint jedoch, dass es auch bei muslimisch geprägten Vereinen schon mal zu ähnlichen Anfragen kommt, und dann eigentlich immer eine einvernehmliche Regelung gefunden werden kann. »Wir respektieren im Berliner Fußball die religiösen Traditionen«, sagt Martur.
Rabbiner Über die Wahrung der religiösen Tradition in einem jüdischen Sportverein diskutieren nicht nur Aktive und Funktionäre, auch Rabbiner haben dazu ihre Meinung: »An den Hohen Feiertagen Fußball zu spielen, das hat doch einen sehr schlechten Beigeschmack«, meint Rabbiner Tovia Ben-Chorin. Christen würden auch nicht am Weihnachtsabend oder an Karfreitag nach dem runden Leder treten. »Ich bin mir sicher, dass die Makkabi-Fußballer gar nicht gewusst haben, was sie taten«, so der Rabbiner.
Ähnlich äußert sich Rabbiner Yehuda Teichtal. »Grundsätzlich gehört Judentum nicht nur in die Synagoge, sondern in alle Bereiche des Lebens, also auch auf den Fußballplatz.« Gleichwohl sei das Punktspiel an Rosch Haschana ein grobes Foul in religiösem Sinne. Zugleich meint Teichtal jedoch, dass die Spieler wohl nicht um die Ernsthaftigkeit ihres Tuns gewusst haben. »Das zeigt uns umso mehr, wie wichtig es ist, jüdische Bildung zu stärken, unsere Werte und Tradition zu vermitteln.«
Die Gemeindevorsitzende Lala Süsskind erklärt: »Ich bin empört, dass Makkabi an diesem Tag angetreten ist.« Der Gemeindevorstand habe dem Verein einen entsprechenden Brief geschrieben, und mitgeteilt, dass er die Fördergelder einfrieren werde, dies seien »einige tausend Euro«. Der Vorsitzende der Repräsentantenversammlung, Michael Joachim, bedauert die Unstimmigkeiten bei Makkabi, äußert »vollstes Verständnis« für Schlesingers Entscheidung.
Redner Kicken sollte er nicht, aber auch Gabriel Heim, ehemaliger rbb-Fernsehdirektor, war diesmal in einem Feiertagsdilemma. Er war als Redner bei der Einweihung eines Gedenkortes für das ehemalige DP-Camp Schlachtensee angekündigt. Doch wegen des Feiertags habe er abgesagt. »Auch die Drei-Tage-Juden wissen, wie wir die Hohen Feiertage gestalten können«, meint Heim. Er betrachte die Hohen Feiertage als ein Geschenk, während der sich jeder mit sich selbst beschäftigen dürfe. Das gelte für alle Juden, ob sie Fußball spielen oder nicht.