Seit er vor drei Jahren die populäre TV-Koch-Show Masterchef gewonnen hat, ist Hobbykoch Tom Franz in Israel ein Star. Inzwischen schreibt der Kölner auch Bücher und war Protagonist der spannenden und informativen 90-Minuten-Dokumentation The Taste of Israel.
Anfang September sollte Tom Franz nun bei einer Veranstaltung zu seinem Film die Besucher mit auf eine kulinarische Reise nehmen – ausgerechnet in der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg. Karl Freller, Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, zog jetzt die Notbremse. Die Veranstaltung wurde nach Nürnberg verlegt.
kritik IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch, die im Urlaub von der geplanten Veranstaltung in der KZ-Gedenkstätte erfahren hatte und ihre Fassungslosigkeit in einem Brief an Stiftungsdirektor Freller zum Ausdruck brachte, zeigt sich nach der Absage erleichtert. Es liege auch nicht am Event selbst, erklärte sie und wies darauf hin, dass Tom Franz mit seiner durchaus sehenswerten Dokumentation auch schon Gast im Gemeindezentrum der IKG in München gewesen ist. »Aber die KZ-Gedenkstätte«, brachte sie das Problem auf den Punkt, »ist für eine solche Veranstaltung ein völlig ungeeigneter Ort.«
Charlotte Knobloch stand mit ihrer Kritik an der Wahl des Veranstaltungsortes keineswegs alleine da. Auch die Israelitische Kultusgemeinde Nürnberg schloss sich ihren Bedenken an. Gemeinsam mit André Freud, Geschäftsführer der Nürnberger Gemeinde, suchte man nach einer unkomplizierten und schnellen Lösung des Problems. Jetzt findet die Veranstaltung in den Räumen der Nürnberger Gemeinde statt.
Das geradezu unvermeidbare Konfliktpotenzial, das entstanden war, erschließt sich aus dem Veranstaltungshinweis, der auf der Internetseite der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg auch nach der Absage noch zu lesen ist. »In dem Film«, heißt es in der Ankündigung, »nimmt er uns mit in die koscheren Küchen von Jerusalem und zu Gourmetköchen in Tel Aviv. Er besucht Käsemacher in den Judäischen Bergen, Fischgurus in Akko, Winzer in Galiläa und hilft Kibbuzbewohnern bei der Dattelernte. (...) Nach der Vorführung der Dokumentation wird er über israelisches Lebensgefühl und seinen Bezug zur Kochkunst des Landes sprechen und Fragen des Publikums beantworten. Im Anschluss Buffet mit koscheren Speisen.«
Verärgerung IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch macht aus ihrer Verärgerung über die Planungspanne kein Geheimnis. »Ausgerechnet an diesem Ort des Grauens, wo Menschen hungerten, verhungerten, gnadenlos und grausam gequält und ermordet wurden, sollte eine fröhliche, genussorientierte Veranstaltung stattfinden«, stellt sie konsterniert fest und spricht von »gedankenloser Unsensibilität« bei der Festlegung des Veranstaltungsorts. »An diesem Ort des Gedenkens, des Trauerns und des Sich-Besinnens«, ist sie überzeugt, »ist diese Veranstaltung absolut fehl am Platz.«
Im Totenbuch, das die Gedenkstätte führt, sind die Namen von 21.000 Menschen aufgelistet, die die Haftbedingungen und die Arbeit in den Granit-Steinbrüchen nicht überlebten. Die harte Arbeit, Kälte, willkürliche Gewalt von SS-Männern und die völlig unzureichende Ernährung machten die Häftlinge in Flossenbürg zu Todeskandidaten. In der Beschreibung der Gedenkstätte steht: »Ein Arbeitstag im Steinbruch dauert zwölf Stunden, nur unterbrochen von einer kurzen Pause, in der eine dünne Suppe ausgegeben wird. Nach Arbeitsschluss müssen Häftlinge die Toten zurück ins Lager tragen.«
Nach Ansicht von Charlotte Knobloch, die nicht zuletzt auch in ihrem Amt als »Commissioner for Holocaust Memory« des World Jewish Congress ihr besonderes Augenmerk auf die Erinnerungskultur richtet, zeige der Flossenbürger Vorgang, dass der Umgang mit dem schrecklichsten Kapitel der Menschheitsgeschichte besonders sensibel gestaltet werden sollte.
Erinnerungskultur Gerade die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg habe nach Ansicht der IKG-Präsidentin in der Vergangenheit die Erinnerungskultur in Bayern in hervorragender Weise mitgestaltet und geprägt. Nicht nur mit Blick auf Flossenbürg, sondern auch auf die grundsätzliche Ausrichtung der Erinnerungskultur sagte sie: »Ich hoffe sehr, dass die Inhalte von Veranstaltungen an Gedenkorten zukünftig wieder gewissenhafter geprüft werden.«
Das Schaffen einer genau durchdachten Erinnerungskultur in Deutschland, die sich ohnehin erst spät und im Lauf vieler Jahre entwickelt habe, ist nach Überzeugung der IKG-Präsidentin gerade jetzt von ganz besonderer Bedeutung. »Wir stehen an der Schwelle zu jener Zeit, in der es keine Zeitzeugen mehr gibt, die Einfluss auf den Umgang mit der Vergangenheit nehmen könnten. Das ist eine ganz entscheidende Zäsur«, mahnte Knobloch zur Schärfung des Bewusstseins.