Großer Festakt im Düsseldorfer Landtag: Am Montagabend feierte der Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein sein 70-jähriges Bestehen. Zu der Feier hatten Landtagspräsidentin Carina Gödecke sowie der Vorstandsvorsitzende des Landesverbandes, Oded Horowitz, eingeladen. Den Festvortrag hielt Jürgen Rüttgers (CDU), ehemaliger Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen.
Neben zahlreichen Gästen und Repräsentanten der Kirchen waren auch die stellvertretende Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann (Bündnis 90/Die Grünen), der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Abraham Lehrer, sowie Thomas Geisel (SPD), Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf, gekommen.
In ihrem Grußwort beschrieb Carina Gödecke die Gründung des Landesverbandes von Nordrhein im November vor 70 Jahren, nur wenige Monate nach der Befreiung Deutschlands durch die Alliierten am 8. Mai 1945, als »eines der größten Wunder der sonst so zerstörerischen ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts«.
Vertrauensbeweis Auch der Vorstandsvorsitzende des Landesverbandes, Oded Horowitz, erinnerte an die Geburtsstunde der jüdischen Organisation: »Mit der bereits im Jahr 1945 erfolgten Gründung unseres Landesverbandes haben die Überlebenden der Schoa den wohl größtmöglichen Vertrauensbeweis in das neu entstehende Deutschland angetreten.«
Heute könne man voller Freude und Stolz bilanzieren, dass der größte Teil der jüdischen Bevölkerung der Bundesrepublik in Nordrhein-Westfalen lebt. Horowitz blickte auch in die Zukunft: »Im Sommer 2016 folgt nun der nächste Schritt, der weit über die Grenzen unserer Landeshauptstadt hinausgeht: die Eröffnung des jüdischen Gymnasiums in Düsseldorf.«
Zentralratsvizepräsident Abraham Lehrer sagte, die Gründung des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden des Rheinlands sei der erste Schritt zum Wiederaufbau und zu einer Blüte des jüdischen Lebens am Rhein gewesen, die damals niemand für möglich gehalten habe. »1945 gehörten diesem Landesverband etwa 1700 Menschen an. Heute sind es 16.500 Mitglieder. Diese Entwicklung war alles andere als selbstverständlich und macht uns immer noch sehr zuversichtlich«, betonte Lehrer.
Sylvia Löhrmann bezeichnete das Jubiläum als ein »wirklich stolzes Datum«. Es zeige, »dass Menschen jüdischen Glaubens trotz der unvergleichlichen, schrecklichen Ereignisse im Dritten Reich bereit waren, ihrer Heimat eine zweite Chance zu geben«, sagte die stellvertretende Ministerpräsidentin.
In ihrer Rede knüpfte Löhrmann auch an die Kultusministerkonferenz an, bei der sie mit Zentralratspräsident Josef Schuster über dessen Wunsch nach mehr Normalität gesprochen habe. Sie hoffe, dass der Geburtstag des Landesverbands Nordrhein genutzt werden könne, um den Weg zur Normalität weiter zu gestalten. Oberbürgermeister Thomas Geisel sagte, für seine Stadt sei es ein »großes Glück, heute wieder eine lebendige und mitgliederstarke jüdische Gemeinde« bei sich zu wissen.
Erinnerungskultur In seinem Festvortrag widmete sich der ehemalige NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers insbesondere der Erinnerungskultur. Es sei immer wieder kontrovers über die richtige Art des Erinnerns diskutiert worden, doch mit Blick auf den Tod vieler Schoa-Überlebender, manifeste Kriegserfahrungen der heutigen Zeit, aber auch veränderte pädagogische Ansätze stelle er fest: »Erinnerung, das ist nichts Staatliches. Auch nicht die Erinnerungskultur.«
Jede Generation müsse ihre eigene Form der Erinnerung entwickeln. Er könne sich zwar vorstellen, dass eine Art »Zukunftsmuseum der Zivilcourage« ein guter Weg sei, um Themen wie Konformität oder Ausgrenzung zu vermitteln. Die Erinnerungskultur des Holocaust dürfe aber nicht relativiert werden. Ihrer Ritualisierung jedoch müsse entgegengewirkt werden.
Im Anschluss an den Festakt wurde im Bürgersaal des Landtags das zweite Chanukkalicht gezündet. Avichai Apel, Rabbiner der Jüdischen Kultusgemeinde Groß-Dortmund, führte die Gäste in die Geschichte des Lichterfestes ein. Für einen festlichen musikalischen Abschluss sorgte der Schulchor der Düsseldorfer Yitzhak-Rabin-Schule.
zukunft Abraham Lehrer sagte nach dem Festakt: »Auch unsere Kinder und Jugendlichen wissen nicht mehr über alles Bescheid. Auch wir müssen uns darüber Gedanken machen, wie wir die Erinnerung wachhalten.«
Und Oded Horowitz fasste die zukünftigen Aufgaben seines Landesverbandes so zusammen: »Die größte Herausforderung ist die erzieherische Aufgabe – und gleichzeitig die Sicherstellung der Gemeinden im Sinne von Voraussetzungen, die es für jüdisches Leben gibt, also was Sicherheit und Finanzen betrifft.« Als wichtigstes Ziel bezeichnete er die Gründung des Jüdischen Gymnasiums in Düsseldorf. »Aber auch Aspekte wie Renovierungen und ein neuer Friedhof stehen an«, sagte Horowitz.