Die Frankfurter haben am Sonntag die Wahl: An diesem Tag können sie entscheiden, wer künftig als Oberbürgermeister die Geschicke der Stadt lenken wird. Zwölf Kandidaten bewerben sich bei den Bürgern um dieses Amt; die größten Chancen werden Amtsinhaber Peter Feldmann (SPD) eingeräumt.
Feldmann ist Mitglied der Gemeinde.
Auf deren Website sieht man ihn zusammen mit dem Vorstandsvorsitzenden Salomon Korn und Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) die Kerzen auf einer riesigen Geburtstagstorte in Form der israelischen Flagge anzünden. »Mein Verhältnis zur jüdischen Gemeinde ist sehr eng und vertrauensvoll«, sagt der 59 Jahre alte Diplom-Politologe, der von 1992 bis 1998 dem Gemeinderat angehörte und dessen Sozialausschuss leitete. Auch zählt Feldmann zu den Mitbegründern des Arbeitskreises jüdischer Sozialdemokraten in der SPD.
lokalpatriot Und tatsächlich zeigt Feldmann, vor allem seit Beginn des Wahlkampfs, viel Präsenz in der Gemeinde: Kaum eine Feier in den vergangenen Monaten, an der das Stadtoberhaupt nicht teilnahm. Gerne spricht er dann davon, dass Frankfurt »die jüdischste Stadt Deutschlands« sei, und verweist auf die vielen Institutionen, wie zum Beispiel die Goethe-Universität oder die Alte Oper, die ohne jüdisches Mäzenatentum wohl kaum gegründet worden wären.
Auch erinnert er daran, in welch hohem Maß jüdische Denker und Gelehrte wie etwa der Jurist Hugo Sinzheimer, von dem der Satz »Eigentum verpflichtet« stammt und der hier 1921 zum ersten Professor für Arbeitsrecht in Deutschland berufen wurde, den Geist der Main- und Messestadt geprägt haben. Vor ihm, das lässt Peter Feldmann ebenfalls nicht unerwähnt, hat es schon einmal ein jüdisches Stadtoberhaupt in Frankfurt gegeben: Ludwig Landmann hatte dieses Amt von 1924 an inne, bis er es 1933 wegen massiver Drohungen aufgeben musste.
Feldmann ist Lokalpatriot, er liebt seine Heimatstadt, in der er vor knapp 60 Jahren geboren wurde, das hört man ihm an, nicht nur wegen des leichten Anklangs ans »Frankforderische« in seiner Sprache.
brückenbauerin Doch gibt es bei der jetzt anstehenden OB-Wahl noch eine weitere Persönlichkeit, die sich gute Chancen auf einen großen Teil der Wählerstimmen ausrechnen kann und die ebenfalls in enger Verbindung zur Frankfurter Gemeinde steht: die Kandidatin der Grünen, Nargess Eskandari-Grünberg.
Die promovierte Psychologin und Therapeutin war von 2008 bis 2016 ehrenamtliche Integrationsdezernentin der Stadt und setzt sich bis heute unermüdlich für den Dialog zwischen den verschiedenen Kulturen und Religionen ein. Sie möchte »Brücken bauen«, möchte die Menschen zusammenbringen, damit diese entdecken, dass sie mehr verbindet als trennt.
Gemeinsam mit Beni Bloch, dem Geschäftsführer der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST), initiierte sie vor einigen Jahren ein Projekt, das Vertreter von Islam und Judentum einander näherbringen soll. Und als an der Goethe-Universität ein Studiengang für angehende Imame geschaffen wurde, sorgte Nargess Eskandari-Grünberg dafür, dass in das Curriculum der Besuch der Westend-Synagoge aufgenommen wurde.
Verheiratet ist die 53-Jährige mit dem Psychoanalytiker und Gemeindemitglied Kurt Grünberg, der sich seit vielen Jahren intensiv mit der Tradierung des Traumas von der Generation der Schoa-Überlebenden an deren Kinder und Kindeskinder beschäftigt. Grünberg gehörte 2002 zu den Mitbegründern des Frankfurter Überlebenden-Treffs, einer Anlauf- und Begegnungsstätte für die Opfer der Schoa und ein Pilotprojekt der ZWST, das sich als so erfolgreich erwies, dass mittlerweile bundesweit 20 weitere dieser Einrichtungen geschaffen wurden. Nargess Eskandari-Grünberg hat ihren Mann stets bei dieser Arbeit unterstützt. Als Dezernentin setzte sie sich, als die Schließung des Treffs drohte, erfolgreich für dessen Erhalt ein.
rückhalt Doch auch Peter Feldmann hat eine biografische Nähe zu diesem Thema. Sein Vater Günter Feldmann, selbst Schoa-Überlebender, war nach dem Krieg Mitbegründer und langjähriger Leiter der Jüdischen Erziehungs- und Beratungsstelle in Frankfurt und als Therapeut ein Pionier in der Betreuung von Opfern der Schoa und ihren Angehörigen.
Feldmann und Eskandari-Grünberg betonen, wie viel Unterstützung sie während des Wahlkampfs aus der Gemeinde erhalten haben. Und das stimmt wohl auch in beiden Fällen. Im Falle der Grünen-Kandidatin sind es vor allem weibliche Mitglieder, die ihr den Rücken stärken. »Mich haben in den vergangenen Wochen so viele jüdische Frauen angerufen, um mir Mut zu machen und um mir zu versichern, dass sie hinter mir stehen«, erzählt sie.
Aber auch Peter Feldmann hat »großen Rückhalt in der Gemeinde«, wie eine Insiderin berichtet. »Nach seiner ersten Wahl im Jahr 2012 haben mir viele gesagt, dass sie ihm ihre Stimme gegeben hätten.« Und sie selbst? »Ich finde, er hat bislang einen guten Job gemacht«, so zunächst die diplomatische Antwort. Aber bei der Frage, ob sie ihn denn wählen werde, spricht sie plötzlich Tacheles. »Klaro!«, lautet ihre ebenso knappe wie eindeutige Antwort.