Am Sonntag gehört der Jakobsplatz ganz den Bürgern. Mit einem großen Fest feiert München dann das 200-jährige Bestehen der IKG München und Oberbayern sowie deren Neugründung nach der NS-Zeit vor 70 Jahren. Auch Charlotte Knobloch, die langjährige IKG-Präsidentin, freut sich auf die Begegnung mit den Münchner Bürgern. Im Jahr 1985 übernahm sie das Amt, das schon ihr Vater, der die Kultusgemeinde nach dem Zweiten Krieg mitbegründete, viele Jahre innehatte.
»Wir sind angekommen im Herzen der Stadt und der Menschen«, zieht Charlotte Knobloch angesichts der bevorstehenden Feierlichkeiten eine unter dem Strich positive Bilanz. Glück und Dankbarkeit empfinde sie, wenn sie aus ihrem Büro auf den Jakobsplatz blicke. Knapp zehn Jahre ist es her, als hier zunächst die neue Hauptsynagoge »Ohel Jakob« eingeweiht und wenig später das Gemeindehaus eröffnet wurde, in dem die IKG heute ihren Sitz hat.
Für das urbane, kulturelle und gesellschaftliche Leben der Stadt und für die Gemeinde selbst sei der Bau des neuen Jüdischen Zentrums, bestehend aus Hauptsynagoge, Gemeindehaus, Kulturzentrum und Jüdischem Museum, ein Impuls von historischer Bedeutung gewesen, betont die Präsidentin.
geschichte »Der Bau des Zentrums inmitten der Stadt hat dem jüdischen Leben in München wieder den Stellenwert gegeben, den es vor seiner Vernichtung hatte«, so Knobloch weiter. Jetzt, aus Anlass des 200-jährigen Bestehens der IKG, wolle man zusammen mit der Stadtgesellschaft feiern, dass es gelungen ist, trotz der wechselhaften Geschichte Hoffnung und Vertrauen zu gewinnen, schreibt die IKG-Präsidentin denn auch in einer Grußbotschaft für das Bürgerfest, bei dem sie um 17 Uhr eine Rede halten wird.
Gleich nach Beginn des Bürgerfestes um 12 Uhr wird Münchens Kulturreferent Hans-Georg Küppers die Gäste auf dem Jakobsplatz begrüßen. Den gewählten Ort für die Feier hält Küppers für ideal, sieht ihn aber auch als Folge kontinuierlicher Arbeit an: »Dass die Gemeinde im Zentrum der Stadt wieder verankert ist, ist auch das Ergebnis einer gemeinschaftlichen Entwicklung, jüdisches Leben dort zu verorten, wo es war und wo es hingehört.«
Der Weg dorthin war mühsam und dauerte viele Jahre. Erst unter der Regentschaft des Wittelsbachers Max I. Joseph, von 1806 an, verbesserte sich die Situation für die jüdische Gemeinschaft in Bayern, die langsam zu wachsen begann. Der entscheidende Impuls für die ungehinderte Entwicklung jüdischen Lebens erfolgte 1872, als Juden rechtlich gleichgestellt wurden. Das sichtbare Zeichen des neuen Selbstbewusstseins, das dadurch entstand, war der Bau einer Hauptsynagoge gegenüber der Maxburg, mitten in der Stadt. König Ludwig II. hatte sich dafür stark gemacht.
wirkung Im Jahr 1910 waren von 600.000 Münchnern mehr als 11.000 jüdisch. Eine große Zahl jüdischer Künstler, Schriftsteller, Wissenschaftler, Kaufleute und Politiker bereicherte das kulturelle Leben und trug entscheidend zum internationalen Ruf Münchens bei. Persönlichkeiten wie Lion Feuchtwanger und Max Reinhardt lebten und wirkten in der Stadt. Die Nazis zerstörten schließlich alles.
Nach der Befreiung kehrte das jüdische Leben nur ganz langsam nach München zurück. Erste »Lebenszeichen« waren 1945 die Wiedergründung der IKG und zwei Jahre später die Eröffnung der wiederhergestellten Synagoge in der Reichenbachstraße, wo die IKG bis zum Umzug auf den Jakobsplatz ihren Sitz hatte. Bis Ende der 80er-Jahre stieg die Mitgliederzahl wieder auf rund 4000, verdoppelte sich bis zum Ende des vergangenen Jahrhunderts und stieg auf die heutige Zahl von 9500.
Am Sonntag wird sich auf und rings um den Jakobsplatz die Vielfalt jüdischen Lebens zeigen. Das Programm, das die Kulturabteilung der IKG zusammengestellt hat, dürfte kaum einen Wunsch offen lassen. Mit dem Chor Druschba Chawerut geht das Bühnenprogramm um 12 Uhr los, dann folgt ein Auftritt auf den anderen. Mit dabei sind: das Showballett Genesis, Laura Wachter, die Lieder von Leonard Cohen singt, Adriano Prestel mit Band, die Tanzgruppe »Celtic Colleens«, der Synagogenchor Schma Kaulenu, Kabarettistin Luise Kinseher sowie Marina Baranova und Murat Coskun. Dazwischen finden Modenschauen mit historischen Kostümen statt.
Museen Den ganzen Tag über ist der Eintritt im Jüdischen Museum München (JMM) frei, wo um 11 Uhr ein einstündiger Rundgang angeboten wird. Im Stadtmuseum ist der Eintritt an diesem Tag ebenfalls kostenlos. Im Alten- und Servicezentrum werden zwei Ausstellungen gezeigt: »Welcome Kippas« und »Bilder jüdischer Maler in Aquarell«. Um 12 Uhr startet im JMM ein Rundgang durch die Ausstellung »Jukebox. Jewkbox!«. Führungen in der Ohel-Jakob-Synagoge finden um 13 und 16 Uhr statt. Im JMM startet um 17 Uhr ein Rundgang durch die Dauerausstellung »Stimmen-Orte-Zeiten«.
Ein speziell auf Kinder zugeschnittenes Programm wird ebenfalls angeboten. Von 12 bis 18 Uhr ist die Offene Schreibwerkstatt geöffnet, organisiert vom Jüdischen Museum, Stadtmuseum und Museumpädagogischen Zentrum. Das Jugendzentrum Neshama widmet sich von 12 bis 18 Uhr dem Kinderschminken. Aufs Gleichgewicht kommt es von 13 bis 15 Uhr und ab 16 Uhr an: Kinder können dann mit Philipp & Nelson Rojas & Co. das Jonglieren lernen. Straßenkunst-Clownerie mit Nicolai Deutschmann gibt es um 15.45 und 17.30 Uhr.
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