Die Jüdischen Filmtage am Jakobsplatz, die nun bereits zum elften Mal stattfinden und mittlerweile zum festen Bestandteil des kulturellen Programms in München geworden sind, gehen diesmal auf eine Weltreise. »Eine Reise um die Welt« lautet das filmübergreifende Thema des cineastischen Highlights gleich zu Beginn des Kalenderjahres.
Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern und Gastgeberin des Filmmarathons im Hubert-Burda-Saal des Gemeindezentrums, ist selbst ein begeisterter Kinofan. Schon vor dem Start gewährt sie einen kleinen Blick hinter die Kulissen. »Wie alle Weltreisen«, schreibt sie im Geleitwort des Programms, »bietet diese Tour mit ihren acht Stationen viele widersprüchliche Eindrücke: Sie ist anregend und anstrengend, erkenntnisreich und erschütternd, erheiternd und erschreckend, unterhaltsam und unglaublich.«
umsetzung Dem Team der IKG-Kulturabteilung unter der Regie von Ellen Presser bescheinigt Charlotte Knobloch »Kreativität und Hingabe« bei der Umsetzung des Projekts. Mit einem Blick auf das bevorstehende Filmvergnügen ist sich die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde sicher: »Das Sehen, Wiedererkennen, Verstehen und Weitersinnen machen die Faszination des Films aus. Das werden – vom Dokumentar- bis zum Spielfilm, vom sorgsam Recherchierten bis zum fantasievoll Ausgemalten – die acht Beiträge des diesjährigen Programms im wahrsten Sinne des Wortes vor Augen führen.«
Ein filmbegeisterter Sponsor ermöglichte durch seine finanzielle Unterstützung einen technischen Quantensprung.
Das geschieht in diesem Jahr in noch besserer Qualität. Ein filmbegeisterter Sponsor ermöglichte durch seine finanzielle Unterstützung einen technischen Quantensprung. Digitales Equipment im Hightech-Format und neue, hochwertige Leinwände versprechen einen besonderen visuellen Genuss.
The Invisible Line – die Geschichte der Welle: Mit der Dokumentation von Emanuel Rotstein über die berüchtigte »Welle«, die im Zuge eines Schulexperiments jugendliche Amerikaner in totalitäre Befehlsempfänger verwandelte, starten die Filmtage am 15. Januar um 19 Uhr. An der Auftaktveranstaltung nimmt auch Münchens Kulturreferent Anton Biebl teil. Nach der Vorführung des Films steht Emanuel Rotstein, Autor des Beitrags und Programmchef von A+E Networks Germany, für ein Gespräch mit den Besuchern zur Verfügung.
Mit dem berührenden Spielfilm Leni ... muss fort, der auf einer wahren Geschichte aus dem Allgäu beruht und das kurze Leben eines kleinen Mädchens schildert, das alleine auf die Reise nach Auschwitz geschickt und dort ermordet wurde, werden die Filmtage am 23. Januar um 10 Uhr im NS-Dokumentationszentrum fortgesetzt. Produzent, Regisseur und Autor des Films ist Leo Hiemer, der sein Kommen zugesagt hat. Er stammt selbst aus dem Allgäu, hat Geschichte und Germanistik studiert und erfuhr über seine Mutter vom Schicksal von Gabi Schwarz, wie die Fünfjährige hieß. Hiemers Mutter kannte das Mädchen noch persönlich.
jiddisch Film und Musik werden am 28. Januar um 19 Uhr miteinander verbunden. Dieser Abend ist der vielfach begabten Sängerin, Dichterin und Malerin Beyle Schaechter-Gottesman gewidmet. Die in Czernowitz aufgewachsene Frau, die den Holocaust überlebte und in die USA auswanderte, engagierte sich auf vielfältigste Weise, produzierte Unterrichtsmaterial für den Jiddisch-Unterricht sowie Theaterstücke und brachte sogar eine Zeitung für Kinder heraus. Die Sängerin Andrea Pancur (München) und der Akkordeonist Ilya Shneyveys (Riga/Lettland) präsentieren nach der Filmvorführung ein Konzert mit ihren Liedern.
Das Programm biete viele widersprüchliche Eindrücke, betont Charlotte Knobloch.
Das außergewöhnliche Porträt eines außergewöhnlichen Mannes ist der israelischen Regisseurin Ronit Kerstner geglückt. Ihr Film Refugee Lullaby widmet sich am 30. Januar um 19 Uhr dem Österreicher Hans Breuer, der der letzte jüdische Schäfer seines Landes ist. Der in bescheidenen Verhältnissen lebende Mann half im Jahr 2015 vielen ankommenden Flüchtlingen und Asylsuchenden. In Erinnerung an die Verfolgung seines Vaters durch die Nazis sagt er: »Es geht mir nicht um Wohltätigkeit, es geht um Solidarität.« Hans Breuer steht nach dem Film für ein Publikumsgespräch bereit.
Die Erzählung »Wie ich lernte, bei mir selbst Kind zu sein« nach Motiven von André Heller bot für Regisseur Rupert Henning die Vorlage für den zugleich berührenden und erschütternden gleichnamigen Spielfilm. Die poetische Erinnerung an die Kindheit und an die schillernde Gesellschaft des Wiener Großbürgertums ist am 2. Februar um 17 Uhr im Gemeindezentrum zu sehen.
dokumentation Der Dokumentarfilm Die vorletzte Freiheit – Landschaften des Otto Dov Kulka ist am 6. Februar um 19 Uhr zu sehen und beginnt mit den Erinnerungen an Kulkas Kindheit in Auschwitz. Der Film zeigt die persönliche Geschichte des Schoa-Überlebenden, der nach der NS-Zeit in Israel zu einem bekannten Historiker wurde, sich aber in seinem Inneren nie von Auschwitz lösen konnte. Der Autor und Regisseur Stefan Auch, der tief in die Welt von Otto Dov Kulka eintauchte, steht für ein anschließendes Gespräch zur Verfügung.
Jüdisches Kinovarieté wie zu Stummfilmzeiten ist am 11. Februar um 20.30 Uhr in den Kammerspielen unter dem Titel »Flimmerkammer #6 – Jüdisches Filmvarieté« zu sehen. Auf dem Programm stehen historische Wochenschau-Beiträge mit seltenen Aufnahmen aus München sowie charmanter Slapstick mit dem jüdischen Comedy-Star Max Davidson und dem später weltberühmten Duo Stan Laurel und Oliver Hardy. Zwischen den Filmen spielt das Jewish Chamber Orchestra Munich unter Leitung von Daniel Grossmann.
Der Spielfilm Crescendo #makemusicnotwar beschließt am 15. Februar um 19.30 Uhr die Jüdischen Filmtage 2020 und ist die Verwirklichung eines Herzensprojekts von Produzentin Alice Brauner (CCC Filmkunst), die zusammen mit Hauptdarsteller Peter Simonischek an dem Abend anwesend sein wird. In dem Film geht es um die Kraft von Musik, die Menschen miteinander verbinden und Grenzen überwinden kann.