Es war ein großer Tag für das Jüdische Gymnasium – und ein großer Tag für Marc Alter. Der elfjährige Schüler erhielt im Rahmen eines Geschichtswettbewerbs unter der Regie des Bundespräsidenten einen von zehn Förderpreisen. Die Auszeichnung wurde ihm bei einer Feier im Bayerischen Landtag überreicht.
Seit 1973 wird der Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten alle zwei Jahre von der Körber-Stiftung durchgeführt. Es ist der größte Forschungswettbewerb für junge Menschen in Deutschland. 141.000 Teilnehmer mit mehr als 31.500 verschiedenen Projekten seit der Initialzündung durch den damaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann und Stifter Kurt A. Körber vor bald 50 Jahren sprechen für sich.
Gymnasium Die Idee hinter dem Wettbewerb, junge Menschen dazu zu motivieren, sich mit den demokratischen Traditionen der deutschen Geschichte auseinanderzusetzen, passt perfekt zum Profil des Jüdischen Gymnasiums. Dessen Leiterin Miriam Geldmacher erinnert sich noch gut daran, wie die Unterlagen des Wettbewerbs gleich zum Start der neuen Schule auf ihrem Schreibtisch landeten. Die Teilnahme an einem Wettbewerb habe in der unmittelbaren Aufbauphase des Gymnasiums zwar nicht gerade ganz oben auf der Prioritätenliste gestanden, sagt sie schmunzelnd, aber der vorgegebenen Thematik habe man sich nicht entziehen können.
»Gott und die Welt – Religion in der Geschichte« lautete der Arbeitstitel des Wettbewerbs, für Miriam Geldmacher eine Art Steilvorlage. »Konnte es ein passenderes Thema für eine jüdische Konfessionsschule geben?« Die Frage beantwortet sie mit einem Nein. »Nicht nur das Thema schien verlockend – auch das Wissen darum, dass die Entwicklung historischen Bewusstseins eine ganz wesentliche Aufgabe ist, die sich das Jüdische Gymnasium gestellt hat, war Anreiz genug, sich hier zu engagieren«, erklärt sie. Die pädagogische Federführung bei der konkreten Umsetzung der Wettbewerbsvorgaben lag dann in den Händen des Geschichtslehrers Tassilo Klingelhöfer.
Der Titel des Wettbewerbs führte die Schüler bei der Behandlung des Themas ganz schnell zu einer der Kernfragen jüdischer Vergangenheit, dem jüdisch-religiösen Leben in der Zeit des Nationalsozialismus. Das Ergebnis war ein akribisch erstellter Fragebogen, den die Schüler Zeitzeugen in ihrem sozialen Umfeld vorlegten, unter anderem auch IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch, und zu einem Wettbewerbsbeitrag verarbeiteten. Auch wenn dieser Beitrag nicht ausgezeichnet wurde, ist Miriam Geldmacher mehr als zufrieden: »Die Klasse hat einen ausgesprochen würdigen Forschergeist entwickelt.«
wurzeln Ausgezeichnet wurde aber Marc Alter, der sich des Themas in einer Einzelarbeit annahm und durchschlagenden Erfolg erzielte. Die Erforschung seiner Familiengeschichte, die ihre Wurzeln in der ehemaligen Sowjetunion hat, brachte ihm einen von zehn Sonderpreisen auf Landesebene ein. Mit elf Jahren war der Schüler des Jüdischen Gymnasiums der mit Abstand jüngste Teilnehmer unter den Preisträgern. »Die ganze Schulfamilie ist stolz auf ihn«, freut sich auch Miriam Geldmacher über die tolle Leistung.
Wie groß die Konkurrenz für Marc war, zeigte sich auch bei der Feierstunde im Senatssaal des Bayerischen Landtags, als die Preisträger unter dem Beifall der vielen Gäste ausgezeichnet wurden. Die Würdigung nahm Bayerns Landtagsvizepräsident Reinhold Bocklet vor, der sich über die hohe Teilnahme von 465 Schülerinnen und Schülern am Wettbewerb erfreut zeigte. In seiner Ansprache ging Bocklet auch auf die Bedeutung des Wettbewerbs genauer ein.
»Die hervorragende Beteiligung aus Bayern und die detailgenaue und fundierte Auseinandersetzung mit den historischen Inhalten zeigt, dass Glaube und Religion auch in der heutigen Zeit von Bedeutung für unser Selbstverständnis sind«, sagte der CSU-Politiker. Nur wer die Vergangenheit kennt, könne auch die Gegenwart beurteilen und für die Zukunft die richtigen Weichen stellen.
Hexenprozesse »Ich freue mich daher, dass die Schülerinnen und Schüler die Gelegenheit ergriffen und in ihrer unmittelbaren Umgebung die Themen Glaube und Religion wie junge Historiker aktiv beleuchtet haben«, so Bocklet weiter. Ihre Arbeiten behandelten ein breites Spektrum, von den Hexenprozessen bis zur wechselvollen Geschichte der Kirchenglocke »Anna«.
In der »unmittelbaren Umgebung«, wie der Landtagsvizepräsident konstatierte, hat sich Marc Alter bei der Erforschung der Familiengeschichte auf jeden Fall bewegt. Sein Vater hält schmunzelnd fest, dass selbst die Urgroßmutter des Jungen von seiner Wissbegierde nicht verschont wurde.