Der Ansturm sei zum Glück für heute vorbei, sagt Shalom Eivgi und deutet auf die nicht einmal mehr zur Hälfte vollen Salatschüsseln in seiner Auslage. Der 50-jährige Koch spielt auf die vielen Kunden an, die heute in seinem Imbiss in Berlin-Schöneberg waren, die Schakschuka, eine israelische Eierspeise mit Tomaten, Falafel oder Fisch gegessen haben.
»Etwa 350 Brote habe ich über die Theke gereicht«, sagt Eivgi nicht ohne Stolz. Es ist mittlerweile 18 Uhr, zwei Tische in dem kleinen Laden sind besetzt, immer noch kommt zuverlässig im Dreiminutentakt jemand herein und bestellt ein Falafel-Sandwich zum Mitnehmen. Eivgi begrüßt alle freundlich, hin und wieder per Handschlag, fragt nach dem Befinden. Seinen langen Arbeitstag merkt man ihm nicht an.
laufkundschaft Seit vier Jahren gibt es nun schon »Eivgi’s Orientalische Hausmannskost« an prominenter Stelle gegenüber dem Rathaus Schöneberg. Das Lokal hat neben den Stammgästen auch viel Laufkundschaft. »Das war eines der Argumente, die für den Standort hier sprachen«, sagt Eivgi.
Ein Freund habe ihm damals von der frei werdenden Immobilie erzählt, und er habe die Gelegenheit ohne lange zu überlegen wahrgenommen. Nach elf Jahren als Chef de Cuisine im Berliner Maritim-Hotel wollte er sich selbstständig machen, aber kein Restaurant führen – ein kleiner, persönlicher Ort sollte es sein.
Den hat er gefunden. Die Küche mit dem Vorraum, der gerade einmal Platz für drei Tische bietet, die Nische und das Bad: Zuvor war hier ein türkisches Gözleme-Restaurant, davor eine Dönerbude. »Ich habe hier viel verändert«, erzählt Eivgi. »Schließlich habe ich andere Gerichte auf meiner Speisekarte.« Vor dem Fenster steht kein Dönerspieß, sondern eine Fritteuse, in die die frischen Falafel geworfen werden, daneben stehen Besteck, vorgeschnittener Salat und natürlich Hummus bereit.
klimbim Eivgis Imbiss überrascht, denn er ist nicht das, was die Hauptstädter für gewöhnlich unter einem israelischen Deli verstehen: einen durchgestylten Laden mit kahlen Wänden und Designermobilar, in dem zumeist kleine Portionen israelischer Gerichte angeboten werden. Diese sind gerne experimentell, sollen eine eigene Note haben.
Betrieben werden die Läden oft von Israelis, die bis zur Eröffnung keine Erfahrung in der Gastronomie hatten, in Berlin aber den Aufbruch ins Unbekannte wagen. Das »Gordon«, benannt nach dem Stadtstrand in Tel Aviv, im Schillerkiez in Neukölln ist ein Beispiel dafür. Die Betreiber Doron Eisenberg und Nir Ivenizki heben ihr Restaurant von anderen israelischen Lokalen dadurch ab, dass sie neben Snacks auch Schallplatten verkaufen und Dinner-Partys organisieren – mit Erfolg. Das »Gordon« ist längt über den Bezirk hinaus bekannt.
Mit »Eivgi’s Orientalischer Hausmannskost« verhält es sich anders. Wäre der Imbiss eine Eckkneipe, sie bekäme das Prädikat »ehrlich« aufgedrückt. Ohne Klimbim kommt sein Laden daher, einfache Holzbänke, weiße Kacheln, eine Auslage und ein Abzug. Das war es auch schon. Leise rauscht aus einer Box nicht etwa Lounge-Musik, sondern ein israelischer Radiosender mit Sportnachrichten auf Englisch.
hotel Eivgi serviert bloß eine Handvoll Gerichte, aber die schmecken herrlich, die Portionen sind groß, die Preise fair. Dazu ist alles koscher, an der Wand gegenüber der Theke hängt ein Zertifikat, das das bestätigt. Und: Eivgi hat vor seiner Zeit im Maritim-Hotel bereits in seiner Heimat Israel als Koch gearbeitet, bringt also jede Menge Erfahrung mit. Eivgi gibt sich bescheiden. »Ja«, sagt er, »ich habe schon ein bisschen Gemüse in meinem Leben geschnitten.« In Israel lernte er damals seine Frau kennen, eine Deutsche. Seit mehr als 15 Jahren leben die zwei mit den beiden Kindern in Berlin.
Wieder kommen Kunden in den Laden, Eivgi dreht sich um. »Einen Augenblick«, sagt er, »ich komme gleich.« Wie es ihm gehe, fragt ein junger Mann mit schulterlangen Haaren. »Gut, natürlich«, antwortet er kurz angebunden. »Das mag ich«, erzählt er. »Ich kenne die Leute hier, die Nachbarn kommen regelmäßig vorbei, aber auch Touristen, Israelis und Gemeindemitglieder, die koscher essen wollen.«
Von Lieferdiensten wie Deliveroo oder Foodora hält Eivgi nichts. »Da mache ich nicht mit, das nervt mich.« Wenn jemand eine große Bestellung aufgibt, dann engagiert er auch schon mal einen Fahrer, der das Essen zum Kunden nach Hause bringt. Alte Schule, könnte man sagen.
catering Neben seinem alltäglichen Geschäft bietet Eivgi auch einen Catering-Service an. Er hat bereits das Bundesinnenministerium, die Senatsverwaltung und verschiedene Hotels beliefert. Eigentlich steht er alleine in seinem Laden, aber wenn eine große Bestellung hereinkommt, holt er sich Hilfe. »Dann stelle ich für einen kurzen Zeitraum jemanden ein«, sagt er. Gerade heute hat er Aufträge für zwei private Geburtstagsfeiern entgegengenommen. Das Geschäft läuft gut. Er könne nicht klagen, sagt Eivgi. Wann immer es seine Zeit erlaubt, reist der Koch nach Israel.
Dass Israel in diesem Jahr das 70. Jubiläum feiert, bedeutet ihm natürlich etwas. »Es handelt sich immerhin um unser Land, das muss gefeiert werden.« Vor zehn Jahren, zum 60. Jubiläum der Staatsgründung, habe er in Berlin in einem Hotel eine ganze Gesellschaft bekocht, erinnert er sich.
Eivgis Laden scheint auch ohne Fest-Aufträge immer gut besucht zu sein. Jetzt, im Sommer, steigt die Nachfrage nach seinem Falafel noch mehr als sonst – vielen seiner Gäste ist es schlicht zu heiß zum Kochen. Mit der zahlreichen Kundschaft kommt der Küchenchef schon klar – auch wenn es mal stressig wird, Zeit für einen Plausch nimmt sich Eivgi immer.
www.eivgis.com