Im November 1938 raubten die Nazis in einer straff organisierten Aktion zahllose Kunstwerke aus jüdischem Besitz. Jetzt, acht Jahrzehnte nach der systematischen Plünderung, gab Bayern neun damals erbeutete Kunstgegenstände (fünf Gemälde, drei Farbstiche und ein Elfenbeinrelief) an die Nachfahren der früheren Eigentümer zurück.
Für Bernd Sibler (CSU), Bayerns Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, war die Rückführung der Kunstwerke, die nach dem Krieg den Weg in die Sammlungen des Freistaats fanden, am Montag der vergangenen Woche ein historisch bedeutsamer Akt. Unterstrichen wurde dies auch durch die Teilnahme am Festakt von Bernhard Maaz, Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, Frank Matthias Kammel, Generaldirektor des Bayerischen Nationalmuseums, und Kurt Zeitler, dem stellvertretenden Direktor der Staatlichen Graphischen Sammlung München. In diesen staatlichen Einrichtungen waren die geraubten Kunstwerke gelandet.
rede In seiner Rede ging der Minister auch darauf ein, dass die Thematik Kunstraub viele Jahre nicht von Interesse gewesen und erst zur Jahrtausendwende stärker in den Fokus gerückt sei. Spielraum bei der Betrachtung des staatlichen Kunstraubs sieht er nicht. »Provenienzforschung«, betonte er bei dem Festakt, »ist mehr als nur eine Aufgabe unserer Museen. Es ist unsere ethische Pflicht, sich mit der Herkunft der Museumsbestände sorgfältig, intensiv und gewissenhaft auseinanderzusetzen und diese transparent zu machen.«
In London, Simbabwe und Tel Aviv konnten Nachfahren ausfindig gemacht werden.
Sibler wies ferner darauf hin, dass die Geschehnisse von damals nicht rückgängig gemacht werden könnten. »Aber wir können ein sichtbares Zeichen setzen für unser tiefes und ernsthaftes Interesse, die menschenverachtenden Verbrechen des Nationalsozialismus umfassend aufzuarbeiten.«
Diese Form der Aufarbeitung führte im konkreten Fall zu Julius und Semaya Franziska Davidsohn, die im Münchner Stadtteil Lehel lebten, Eigentümer der Kunstwerke waren und von den Nazis in Theresienstadt ermordet wurden.
In London, Simbabwe und Tel Aviv konnten Nachfahren des Ehepaares ausfindig gemacht werden. Etliche von ihnen reisten anlässlich der Restitution der Kunstwerke nach München, unter ihnen auch Hardy Langer. Er vertritt die Erbengemeinschaft. Beim Festakt in München hob er in einer kurzen Rede hervor, wie wichtig es für diese sei, des Ehepaares gedenken zu können.
Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, konnte an der Veranstaltung nicht teilnehmen, freute sich aber dennoch über die Rückführung der geraubten Kunstwerke, der sich Bayern verpflichtet fühle. »Dieser Verpflichtung«, so die Präsidentin, »kommt der Freistaat heute in vorbildlicher Weise nach, und ich hoffe sehr, dass er sich im Zuge weiterer Ergebnisse der Provenienzforschung dieser besonderen historischen Verantwortung bewusst bleibt.«
rechtslage In der Vergangenheit hatte Charlotte Knobloch wiederholt feststellen müssen, dass Deutschland es viel zu lange versäumt habe, eine verantwortungsvolle Rechtslage für die Fälle von Enteignungen zu schaffen.
Die Kunstwerke sollen an einen Sammler verkauft werden, der den Erben Zugang gewähren will.
Auf einen mit dieser Problematik verbundenen Aspekt ging bei dem Festakt auch Ellen Presser, die Kulturchefin der Israelitischen Kultusgemeinde, ein, die die IKG-Präsidentin vertrat. »Uns muss bewusst sein, dass die Rückgabe von einstigem jüdischen Eigentum nur ein symbolischer Akt sein kann, weil er nicht jenen zugutekommen kann, denen Leid zugefügt wurde«, erklärte sie.
Für die Museen ergriff Bernhard Maaz das Wort. »Die seit einigen Jahren stark aufgestockte Provenienzforschung der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen«, beschrieb er die Fortschritte, »stellt ihr Wissen auch anderen Museen zur Verfügung, das wird an diesem Restitutionsvorgang deutlich sichtbar. Ich freue mich über den Abschluss einer mühsamen und langen Recherche ebenso wie über die Möglichkeit der Herausgabe aller betroffenen Objekte.«
rechercheergebnisse Wie er weiter erklärte, würden die Rechercheergebnisse zeigen, dass die Hilfsmittel und Methoden dieser Disziplin erst heute wirklich ausgereift seien.
Den Worten von Hardy Langer, dem Sprecher der Erbengemeinschaft, zufolge sollen die Kunstwerke an einen Privatsammler verkauft werden, der den Erben jederzeit einen Zugang zur Sammlung ermöglichen will. Der Bestand solle zudem in seiner Geschlossenheit bewahrt werden.
Eine Delegation aus Erbengemeinschaft und öffentlichen Repräsentanten traf sich anschließend in der Widenmayerstraße 54, wo das jüdische Ehepaar bis zur Deportation nach Theresienstadt umgeben von den Kunstwerken gelebt hatte.