Nein, ich werde nicht auf den Glitzeranzug von der letzten Jewrovision zurückgreifen, den der damalige Moderator trug, sondern mir etwas eigenes überlegen, was ich an dem Show-Tag anziehen werde. Aber wie mein Outfit aussehen wird, das möchte ich noch nicht verraten. Nur so viel: Es wird magic.
In diesen Tagen feilen meine Moderationspartnerin Tamar Morali und ich an den Texten. Wie werden wir das jeweilige Jugendzentrum vorstellen, wie die Acts ankündigen? Das müssen wir gut vorbereiten, damit alles wie am Schnürchen klappt.
Das heißt für uns, dass wir ziemlich viel im Kopf abrufbereit haben müssen. Und Platz für Spontanität soll auch noch bleiben. Da uns gerade ein paar 100 Kilometer trennen – sie lebt derzeit in Berlin und ich in Wolfsburg –, skypen wir regelmäßig und üben zusammen. Wir sind schon ziemlich weit gekommen. Inzwischen bin ich super entspannt und vergnügt, denn ich fiebere dem Abend entgegen.
luftsprung Als ich gefragt wurde, ob ich die Moderation bei der Jewrovision in Frankfurt übernehmen möchte, habe ich vor Freude einen innerlichen Luftsprung gemacht. Ich war sprachlos und habe die Zentralratsmitarbeiter, die den Song Contest organisieren, gefragt, ob sie es wirklich ernst meinen. Sie nickten.
Meine Moderationspartnerin Tamar kenne ich seit sechs Jahren. Wir waren gemeinsam auf Mini-Machanot. So fing unsere Freundschaft an. Außerdem haben wir denselben Freundeskreis. Und nun freue ich mich, dass wir am Samstag zusammen auf der Bühne stehen werden.
Früher gab es immer nur einen Moderator, und seit 2006 ist es nun wieder ein Duo. Da soll der Abend natürlich ganz anders werden als in den Jahren davor.
Vor zwei Jahren bin ich zum BWL-Studium nach Wolfsburg gegangen.
In den letzten Wochen bin ich öfter in Berlin gewesen, um alles zu besprechen und natürlich, um die Startplatzierung auszulosen, die ja live übertragen wurde.
Das Frankfurter Jugendzentrum Amichai, in dem ich groß geworden bin, startet als Gastgeber als Letzter, das Jugendzentrum Hannover Chai, in dem ich mich derzeit als Rosch engagiere, als Neunter. Und in Wolfsburg, wo ich gerade noch wohne, gibt es zwar eine kleine jüdische Gemeinde, aber kein Jugendzentrum vertritt die Stadt bei der Jewrovision.
Vor drei Jahren habe ich bei der Jewrovision als Zwischenmoderator Or Chadasch Mannheim feat. JuJuBa angesagt. Das hat mir total viel Spaß gemacht. Ich habe immer davon geträumt, zu moderieren. Damals war ich bei den Videos dabei. Beim Singen, würde ich sagen, bin ich nicht so begabt. Da gibt es bessere Talente, und mich hat es ohnehin nicht auf die Bühne gezogen. Ich war besser darin, andere lautstark anzufeuern und ordentlich Stimmung zu machen.
kindheit Ich bin in Frankfurt geboren. Meine Eltern waren zuvor als sogenannte Kontingentflüchtlinge aus Lettland nach Deutschland gekommen. Und da Religion in ihrer Heimat schwierig auszuüben war, weil der Staat es nicht wollte, bin auch ich nicht gerade religiös aufgewachsen. Das meiste habe ich von meinem Großvater gelernt. Er war es, der mich mit der jüdischen Tradition vertraut machte.
Meine Familie ist ziemlich groß, denn ich habe noch vier ältere Schwestern, was für mich als Jüngsten mitunter eine harte Schule war. Aber wir haben uns alle immer gut verstanden. Zwar besuchte ich die Jüdische Grundschule, aber nach der vierten Klasse eine integrierte Gesamtschule, denn mein Vater konnte sich das Schulgeld nicht mehr leisten.
Ich habe bei Makkabi Fußball gespielt. Meine Mannschaftskameraden nahmen mich mit ins Jugendzentrum, wo ich Nachumi Rosenblatt kennenlernte, der damals das Juze leitete, da war ich etwa zwölf Jahre alt.
Beruflich zieht es mich in die Politik.
Von da an fuhr ich jeden Sommer auf ZWST-Machanot: Italien, Spanien, Bad Sobernheim – ich war überall dabei. Später habe ich auch die Madrich-Ausbildung gemacht. Der jetzige Frankfurter Jugendzentrumsleiter Zvi Bebera bietet eigene Seminare für seine Leute an – da war ich natürlich auch mit von der Partie. Ebenso beim Gemeindetag und bei den Jugendkongressen. Dort helfe ich bei der Organisation, übernehme die Kinderbetreuung und biete Unterstützung bei der Logistik.
Mittlerweile werde ich als Student von ELES, dem Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk, gefördert, was für mich sehr gut ist. Als ich mich dort bewarb, habe ich gemerkt, wie viel ich im Jugendzentrum gelernt habe und wie viel ich für meine Persönlichkeit mitgenommen habe. Zum Beispiel kann ich auf bewährte Diskus-sionsmethoden zurückgreifen und weiß, wie ich Themen gut vorbereite. Und natürlich ist es toll, ein Stipendium zu bekommen.
studenten Mittlerweile sitze ich im Stipendiatischen Rat. Ich bin dort Ansprechpartner für andere Studenten. Es gefällt mir, ihnen zu helfen. Beim Verband Jüdischer Studierender Nord gehöre ich dem Vorstand an. Der Zentralrat unterstützt uns auch. Ich würde mir nur wünschen, dass die Gemeinden auch mit uns kooperieren. Wir wollen die Interessen der Studenten vertreten, einen politischen-religiösen Diskurs führen und Leute und Unternehmen verbinden. Unter anderem laden wir zum Schabbat Studenten und Young Professionals ein, oder wir veranstalten einen Workshop. Es reizt mich sehr, eine jüdische Infrastruktur in Norddeutschland aufzubauen.
Für mein Studium muss ich hart arbeiten, denn ich stelle hohe Ansprüche an mich. Aber ich habe gelernt, mich zeitlich gut zu organisieren. Ich musste schon früh selbstständig werden, denn meine Eltern trennten sich, als ich noch die Gesamtschule besuchte. Erst lebte ich bei meinem Vater, dann veränderte er sich beruflich und war nur noch selten in Frankfurt. Deshalb zog ich zu meiner Mutter.
Für mein Studium muss ich hart arbeiten, denn ich stelle hohe Ansprüche an mich.
Heute bin ich meinen Eltern dankbar, dass sie mir vertraut haben und mich gelassen haben. Das hat mich gestärkt. Meine Familie trifft sich regelmäßig: meine Eltern, meine Schwestern, deren Ehemänner, Neffen und Nichten. Meine Schwestern haben Nachwuchs bekommen, und so ist unsere Familie noch größer geworden.
Als ich 18 war und das Abi in der Tasche hatte, habe ich Frankfurt verlassen. Mich zog es nach Wolfsburg, um dort BWL zu studieren. Ich wohne dort in der Innenstadt, mit Blick auf die Fußgängerzone.
Das Zentrum von Wolfsburg entspricht nicht meinem Geschmack. Es wurde Anfang der 50er-Jahre angelegt und in den 70er-Jahren neu gestaltet. Es ist wenig ästhetisch. Aber die Leute, mit denen ich zu tun habe, sind nett. In den zwei Jahren, die ich dort lebte, bin ich sehr zufrieden gewesen. Nach der Jewrovision werde ich wieder nach Frankfurt ziehen, um dort weiter zu studieren.
machanot In Wolfsburg war mir aber auch rasch klar, dass ich in dieser Zeit zwei Sachen verwirklichen möchte: Das Jugendzentrum in Hannover mag ich sehr gerne, weshalb ich mich dort als Rosch einbrachte. Die Kinder kannte ich sowieso von den Machanot.
Die andere Sache, die mir wichtig war, ist der Fußball. Beim VfB Fallersleben habe ich Kinder und Jugendliche trainiert und bot Torwarttraining an. Meine Position beim Fußball ist zwischen den Pfosten, dort habe ich viele Jahre gestanden und die Bälle abgewehrt.
Der Fußballplatz von Fallersleben ist einfach toll! Er liegt sehr idyllisch am Waldrand. Der Verein zeichnet sich auch durch eine gute Struktur aus. Bald, wenn ich wieder in Frankfurt lebe, möchte ich erneut als Trainer agieren.
Beruflich zieht es mich in die Politik. Wie viel Einfluss hat die Politik auf die Wirtschaft? Wie wird der Aktien- und Anleihenmarkt bestimmt? Das sind Fragen, die mich interessieren. Buchhaltung hingegen reizt mich gar nicht.
Was ich auch sehr gern mag und mache, ist, Musik hören. Kopfhörer rein und alles hören, was gut ist. Entspannung finde ich beim Sport. Meine Devise im Sport und im Leben: Ich will immer mehr, ich gebe immer mehr.
Aufgezeichnet von Christine Schmitt