Nachruf

»Er wird uns allen fehlen«

Präsidentin Charlotte Knobloch zum Tode von Joseph H. Domberger sel. A.

von Charlotte Knobloch  29.07.2013 20:51 Uhr

Ehemann, Vater, Unternehmer, Freund und Philanthrop: Joseph H. Domberger sel. A. Foto: Philippe Fitte

Präsidentin Charlotte Knobloch zum Tode von Joseph H. Domberger sel. A.

von Charlotte Knobloch  29.07.2013 20:51 Uhr

Alles hat seine bestimmte Zeit, und seine Stunde hat Jegliches unter dem Himmel», heißt es im Heiligen Buch Kohelet. «Eine Zeit, geboren zu werden, und eine Zeit, von dieser Erde zu gehen.»

Heute ist der Tag, den wir nicht wahrhaben wollen. Der Tag, an dem wir Abschied von Joseph H. Domberger, sichrono Li’vracha, nehmen müssen – von einem Menschen, der auf dieser Welt doch so wichtig war, den wir so dringend gebraucht haben, dem wir so unendlich viel verdanken und der eine Lücke hinterlässt, die durch nichts und von niemandem geschlossen werden kann.

Mitgefühl Joseph Domberger sel. A. war ein Kämpfer – von klein auf, bis zuletzt. Aber nun waren die Stunden gekommen, in denen er aufhören konnte zu kämpfen. Seine Stunde war gekommen – eine schwere Stunde für uns alle. Eine schier unerträgliche für seine Kinder, seine Tochter Nava, seinen Sohn Michel und die ganze Familie. Ihnen gilt unser tiefes Mitgefühl.

Joseph Domberger, sichrono Li’vracha, war ein einzigartiger Mensch, ein herausragendes Mitglied unserer Gemeinschaft. Es gibt nur wenige, die sich in ähnlicher Weise um unsere Gemeinde, unser spirituelles, aber auch um das materielle Wohl unserer Kehillah verdient machten.

Mit ihm verlieren wir einen hell strahlenden Leuchtturm unter den Menschen – unaufdringlich, bescheiden und doch gesegnet mit einer beeindruckenden Aura aus Kraft, Entschlossenheit und Zielstrebigkeit. Seine Energie entfaltete eine enorme Präsenz, sobald er den Raum berat. Seine Gegenwart, seine positive Strahlkraft – die er sich trotz allem, was ihm widerfahren war, erhalten konnte – gab den Menschen in seiner Umgebung Mut und Stärke.

biografie Geboren wurde Joseph Domberger, sichrono Li’vracha, am 17. Juni 1926 in der Nähe von Lemberg. Seine Mutter verstarb bereits kurz nach seiner Geburt. Seine Tante übernahm die Erziehung und er wuchs in der Familie seines Vaters auf, der ein erfolgreicher Anwalt war.

Die ersten Schuljahre verbrachte er in seiner Geburtsstadt Drohobycz. Als er zehn war, zog die Familie nach Lemberg, wo er die Hebräische Oberschule besuchte. Am 1. September 1939 wurde Lemberg von den Deutschen bombardiert. Dies bedeutete: Krieg und in der Folge Flucht. Vater, Onkel und der 13-jährige Joseph verließen Polen in Richtung Rumänien. An der Grenze kam es infolge massiver deutscher Bombardierung zu Chaos. Wie durch ein Wunder schafften es Vater und Sohn nach Rumänien – der Onkel kam nie an. Von der ganzen Familie überlebte niemand außer den beiden.

Von Rumänien kam Joseph Domberger alleine mit einem Jugendtransport nach Israel. Er studierte in Tel Aviv, absolvierte seinen Militärdienst und wurde aktives Mitglied der Hagana. In Israel heiratete er seine erste Frau Pnina, mit der er zwei Kinder – Simon, der tragischerweise vor 13 Jahren verstarb, und Nava – hatte.

Liebe Anfang der 50er-Jahre war er geschäftsführender Direktor der State of Israel Bonds in Südamerika und arbeitete in Argentinien. Dort kam es zu einer schicksalhaften Begegnung: Zwei strahlende Lichter trafen aufeinander. Er lernte seine zweite Frau Jacqueline kennen. Sie wurden einander zum Mittelpunkt ihres Lebens. Ihr Sohn Michel krönte das gemeinsame Glück.

Es war eine Liebe, die das Leben der beiden über Jahrzehnte verbinden sollte. Leider verließ Jaqueline Domberger, sichrono Li’vracha, nach 53 Jahren einer wundervoller Ehe diese Welt im September 2010 – mit ihr verlor er mehr, als wir in Worte fassen können. War doch die Familie das Zentrum seines Lebens und Jacqueline deren wundervoller Mittelpunkt. Sie brachte sie aus allen Kontinenten immer wieder zusammen – zu den Feiertagen in der Bewahrung eines traditionellen jüdischen Lebens und bei vielen anderen Anlässen.

Joseph Domberger sel. A. war ein liebender Vater und ein begeisterter Großvater. Es war sein größtes Glück, von seinen beiden erwachsenen Kindern, seinen acht Enkelkindern und Urenkeln umgeben zu sein. Neben der Kraft, die er in der Familie fand, war es Weitsicht und unternehmerischer Ehrgeiz, die ihn zu einem erfolgreichen Geschäftsmann machten.

Unternehmer Als sein Vater Emil Domberger ihn bat, die Firma in München weiterzuführen, kehrten er und Jacqueline nach Europa zurück. Sie siedelten in das Land über, in das sie nach der Schoa nicht mehr hatten kommen wollen. Mehr noch, sie bauten hier einen Freundeskreis auf, schlugen Brücken und reichten die Hand zu Versöhnung und gelebtem Miteinander.

Joseph Domberger, sichrono Li’vracha, war ein begeisterter Geschäftsmann. Er fand Erfüllung darin, Neues zu schaffen, zu bauen, zu entwickeln. Er war einer, der angepackt hat. Grenzen gab es für ihn nicht – weder territorial noch mental. Als Immobilienunternehmer wirkte er überaus erfolgreich nicht nur in deutschen Städten, sondern in aller Welt – in den USA, in der Schweiz, in Österreich, in Ungarn, Südfrankreich und Monaco, wo er ein zweites Büro einrichtete. München aber, wo er so viele Jahre zusammen mit seiner geliebten Jacqueline verbracht hatte, blieb er immer verbunden.

Sein Hauptaugenmerk neben Familie und Arbeit galt der B’nai-B’rith-Loge. Für sie wirkte er acht Jahre als Europapräsident, bevor er das Amt des Vizepräsidenten von B’nai B’rith International übernahm. Dombergers Aufmerksamkeit galt von Anfang an auch der Jugendarbeit, dem Beistand für Ältere und benachteiligte Menschen, der Unterstützung Israels sowie dem weltweiten Kampf gegen Antisemitismus.

Er handelte und dachte niemals nur unternehmerisch, sondern engagierte sich stets auch sozialgesellschaftlich und karitativ – im besten Sinne der Nächstenliebe. Und er nahm sich auch Zeit für weitere Initiativen, wie die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit oder den Freundeskreis Naturschutz in Israel.

ehrungen Die jahrzehntelange Versöhnungsarbeit für das bessere Verständnis zwischen Nationen und Religionen hat ihm höchste Ehrungen eingebracht, neben dem Bayerischen Verdienstorden auch das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland sowie das Silberne Verdienstkreuz der Republik Österreich.

Schnell gewann Joseph Domberger sel. A. auch das Herz unseres Oberbürgermeisters. Christian Ude bezeichnete den überaus engagierten Kosmopoliten als «verlässlichen Freund und unermüdlich sprudelnden Quell jüdischen Witzes».

Wie in Christian Ude fand Joseph Domberger mit seiner Offenheit und Herzlichkeit gute Freunde überall auf der Welt – US-Präsidenten ebenso wie andere hochrangige politische und gesellschaftliche Amts- und Würdenträger.

Bei seinem vielseitigen, großzügigen und beherzten Einsatz ist noch etwas besonders hervorzuheben: An meiner Seite war er als langjähriges Vorstandsmitglied unserer Gemeinde zweifellos einer der wichtigsten Kämpfer für die Realisierung des anfangs utopisch wirkenden Traums von einer Hauptsynagoge im Herzen Münchens.

Dafür und für so vieles mehr danke ich Joseph Domberger. Und ich verneige mich vor diesem hervorragenden Menschen. Mit seiner Weisheit und seinem Engagement für die Gegenwart, gegen das Vergessen und für die Gestaltung einer guten Zukunft des jüdischen Volkes war er Vorbild für viele.

freund Es war sein großes, liebendes Herz, das Joseph Domberger, sichrono Li’vracha, zu einem so besonderen Menschen machte. Er war a Mensch, im wahren, im besten Sinne des Wortes. Bis zuletzt ein wertvoller Freund, Helfer und Ratgeber, der uns unendlich fehlen wird.

Joseph Domberger sel. A. hinterlässt eine nicht zu füllende Lücke. Wir erinnern uns voller Dankbarkeit – jeder Augenblick mit ihm war ein Geschenk. Menschen wie ihn gibt es nicht mehr viele auf dieser Welt. Dabei bräuchten wir sie so dringend. Mit Schwermut verabschieden wir uns von unserem Freund. Aber sein Andenken, das Denkmal, das er sich zu Lebzeiten in unseren Herzen errichtet hat, bleibt.

Lieber Joseph Domberger, sichrono Li’vracha, in tiefer Trauer, aber voller Hochachtung und Respekt stehen wir vor dir und deiner Lebensleistung. Wir verneigen uns vor einem großartigen, vorbildlichen Menschen. Möge die Seele von Joseph Domberger sel. A. eingebunden sein in das Bündel des ewigen Lebens.

Frankfurt

30 Jahre Egalitärer Minjan: Das Modell hat sich bewährt

Die liberale Synagogengemeinschaft lud zu einem Festakt ins Gemeindezentrum

von Eugen El  09.12.2024

Frankfurt/Main

»Mein Herz blutet«

In Israel herrsche »Balagan«, Chaos, sagt Chaim Sharvit. Er steht hier denen zur Seite, die zum ersten Jahrestag des 7. Oktober dunkle Gedanken haben. Ein Besuch in Deutschlands größtem jüdischen Altenheim in Frankfurt

von Leticia Witte  14.10.2024

Gedenkveranstaltung

Steinmeier: Wer überlebt hat, trägt schwer an der Last

Fünf Jahre nach dem rechtsextremen Anschlag besucht Bundespräsident Steinmeier die Tatorte.

 09.10.2024

Frankfurt

Graumann und Grünbaum zur Doppelspitze in der Frankfurter Gemeinde gewählt

Den Vorstand vervollständigen Rachel Heuberger, Daniel Korn und Boris Milgram

von Christine Schmitt  09.10.2024

Berlin

»Ein bewegender Moment«

Am Donnerstag fand in Berlin die feierliche Ordination von zwei Rabbinerinnen sowie sechs Kantorinnen und Kantoren statt. Doch auch der monatelange Streit um die liberale Rabbinatsausbildung in Deutschland lag in der Luft

von Ralf Balke  09.09.2024 Aktualisiert

Neue Potsdamer Synagoge

Am Freitag wird der erste Gottesdienst gefeiert

Nach der feierlichen Eröffnung im Juli soll nun das religiöse Leben in der Synagoge in Potsdam langsam in Gang kommen. Am Wochenende sind erste Gottesdienste geplant

 06.09.2024

IKG

»Ein großer Zusammenhalt«

Yeshaya Brysgal zieht nach einem Jahr als Jugendleiter eine positive Bilanz und plant für die Zukunft

von Leo Grudenberg  04.09.2024

Keren Hayesod

»Das wärmt mir das Herz«

Der Gesandte Rafi Heumann über seinen Abschied von Berlin, deutsche Spielplätze und treue Spender

von Christine Schmitt  04.09.2024

Porträt der Woche

Sinn ernten

Caro Laila Nissen half nach dem 7. Oktober Bauern in Kibbuzim nahe Gaza

von Lorenz Hartwig  01.09.2024