»Etwas über drei Monate ist es nun her, dass uns unser wertvoller Freund, Isak Wasserstein sel. A., verlassen hat. Bei seinem Abschied sprach ich davon, dass er uns fehlen wird. Heute wissen wir – und wir spüren es täglich –, wie sehr er uns fehlt. Wir vermissen ihn unendlich.« Mit diesen Worten leitete Präsidentin Charlotte Knobloch die Gedenkfeier für Isak Wasserstein sel. A. ein, zu dem die Kultusgemeinde für ihr Ehrenmitglied eingeladen hatte.
Gäste aus nah und fern waren gekommen, Rabbiner, Mitglieder des Vorstandes, Repräsentanten der jüdischen Vereine und Organisationen. Selbst Benni Bloch von der Zentralwohlfahrtsstelle kam zur Gedenkfeier, um dem Verstorbenen noch einmal die Ehre zu erweisen.
Freund Dessen Bild war auf die Wand hinter dem Rednerpult projiziert. Es zeigte ihn mit strahlendem Lächeln beim öffentlichen Umzug mit den Torarollen von der Reichenbachstraße in die neue Synagoge Ohel Jakob im November 2007 – ein Bild, das seine Bindung an die Religion ebenso unterstrich wie seine den Menschen zugewandte Lebensart. »Wir vermissen ihn als verlässlichen Freund und klugen Ratgeber in allen Lebenslagen«, hatte Charlotte Knobloch gesagt.
»Wir vermissen ihn als Grundpfeiler des religiösen Lebens unserer Gemeinde. Wir vermissen ihn als authentischen Zeugen jener grausamen Zeit, über die er gerade vielen, vielen jungen Leuten auf einzigartige Weise zu berichten vermochte.« Sein Engagement als Zeitzeuge reicht über seinen Tod hinaus – in dem, was Isak Wasserstein sel. A. den Menschen erzählt hat, die danach fragten, und in den Berichten, mit denen er über Jahre und Jahrzehnte in Schulen Zeugnis abgelegt hatte von den Leiden während der Schoa.
Was bleibt, ist auch das Buch, in dem er seine Erinnerungen an die Leidenszeit festgehalten hat: Ich stand an der Rampe von Auschwitz. Daraus las der ehemalige Vizepräsident der Gemeinde Moris Lehner. Er hatte Passagen ausgewählt, die das Leben und Leiden von Isak Wasserstein sel. A. Revue passieren ließen.
Er wurde am 8. Februar 1920 in Warschau geboren und wuchs gemeinsam mit seinen beiden Brüdern in einer gläubigen Familie auf. Mit 19 Jahren erlebte er, wie die ersten deutschen Bomben auf Polen niedergingen. Mit 20 Jahren musste er die Absperrung des Warschauer Ghettos ertragen.
Odyssee Zwei Jahre hielt Isak Wasserstein mit seiner Familie dort unter katastrophalen Bedingungen durch, bis ihn die Deutschen verhafteten. Es war der Anfang einer leidvollen Odyssee, die in Schongau 1945 ihr Ende fand. Dort begann ein neues Leben gemeinsam mit seiner Frau Rosa, mit der er eine Familie gründete, in der das religiöse Leben seiner Kinder- und Jugendzeit eine Fortsetzung fand.
Am 5. Januar 2012 starb er, zu Hause und bis zuletzt treu umsorgt von seiner Ehefrau. »Er ist seinen Weg zu Ende gegangen« – dieses Zitat aus der Todesanzeige hob Lehner hervor. Sein Weg war der Weg getreu der Tora – und auch dazu passte das Bild, auf dem er den Menschen im Saal.
Treffend hatte dies Charlotte Knobloch in ihrer Rede unterstrichen: »Er hatte sich seine Mitmenschlichkeit und seine Nächstenliebe durch alle Zeiten hindurch bewahrt – auch im Ghetto und auch im KZ. Das war es, was ihn so wahrhaft machte. Isak Wasserstein sel. A. war ein helles Licht der Menschlichkeit hier auf Erden. Er war ein Leuchtturm, der den vielen, die ihn darum baten, ein ums andere Mal den richtigen Weg weisen konnte – in weltlicher wie auch in religiöser Hinsicht.«
Gedenkstunde Über seinen tiefen Glauben sprach der frühere Münchner Rabbiner Yitshak Ehrenberg, der zur Gedenkstunde aus Berlin gekommen war. Ebenso wie die biblischen Urväter Awraham und Jitzchak habe der Verstorbene stets angenommen, was G’tt ihm auferlegt hat. »Während der Schoa haben viele Menschen ihren Glauben verloren«, so Rabbiner Ehrenberg. Nicht so Isak Wasserstein sel. A., der nicht nur die Schoa durchlitt, sondern darüber hinaus noch beide Kinder verloren hat.
»Das ist unfassbar«, sagte Ehrenberg. »Und trotzdem – er blieb, wie er war.« Er hielt fest an seinem Vertrauen zu G’tt, er hielt fest an der Tora. So habe er nicht nur das Buch über sein Leben geschrieben, sondern mit seinem Leben, seinem Vorbild, ein »goldenes Buch« hinterlassen: »Er hat gezeigt, wie man trotz allem Schmerz ein Mensch bleiben kann.«
Posthum empfing er noch eine weitere Auszeichnung. Anita Kaminski, Präsidentin des B’nai B’rith München, überreichte seiner Witwe Rosa Wasserstein im Namen der B’nai B’rith Europe eine Ehrenurkunde.