Kennen Sie »ein zweisilbiges Wort mit sechs Buchstaben, das aus dem Französischen stammt, etwas bewerten kann und mit dem Wort Waage zu tun hat«? Ja? Dann sind Sie vielleicht regelmäßiger Hörer des »Sonntagsrätsels« im Deutschlandradio. Es kommt zwar nicht mehr aus dem Studio 7 im alten RIAS-Funkhaus, hat einen leicht abgewandelten Namen, aber die Idee des Spiels und die sechs Fragen, um das Lösungswort zu finden, sind immer noch so, wie sie sich Hans Rosenthal, der Erfinder des Ratespiels, ausgedacht hat.
Am 7. März 1965 wurde das »Klingende Sonntagsrätsel« zum ersten Mal gesendet. Rosenthal stand kurz vor seinem 40. Geburtstag und hatte bis dahin schon unzählige Stunden im RIAS-Funkhaus verbracht. Für ihn, der gleich nach Kriegsende eine Ausbildung beim Berliner Rundfunk begann, hatte das Radio stets eine besondere Bedeutung. Denn im Versteck, in dem er die Verfolgung überlebte, hatte er das Geschehen draußen über den Rundfunk verfolgt. »Für ihn war das Radio ein Anker und ein letzter Kontakt zur freien Welt«, erinnerte der Intendant des Deutschlandradios, Willi Steul, an den beliebten Moderator.
Yad Vashem Auch deshalb war es ein historischer und symbolträchtiger Ort, an dem am Montagvormittag die besondere Ehrung stattfand: das Funkhaus des heutigen Deutschlandradios am Hans-Rosenthal-Platz. Die Jerusalemer Gedenkstätte Yad Vashem zeichnete Ida Jauch postum als »Gerechte unter den Völkern« aus. Jauch versteckte den jungen Hans Rosenthal – er war 17 Jahre alt – ab 1943 in einer Laube der damaligen Kleingartenkolonie »Dreieinigkeit« im Bezirk Lichtenberg. Als Jauch 1944 starb, kümmerte sich Maria Schönebeck, eine Freundin Jauchs, um den jüdischen Jungen. Zwei Jahre und zwei Monate sollte Hans Rosenthal versteckt bleiben und durch selbstlosen Einsatz der beiden Frauen, durch eine große Portion Glück und »Wunder«, wie er es im Nachhinein beschrieb, überleben.
Zur Feierstunde im »Raum Dresden«, dem ehemaligen Studio 7, waren viele Wegbegleiter Rosenthals gekommen. Wie zum Beispiel sein Jugendfreund Walter Frankenstein. Der heute 91-Jährige, der mit seiner Frau und den zwei kleinen Kindern im Untergrund überlebte, erinnert sich an »Hänschen« Rosenthal: »Wenn wir uns gestritten haben, dann eigentlich nur um Tennis Borussia und Hertha BSC – da konnten wir nie übereinstimmen.« Beide verband eine enge Freundschaft. Auch mit Rosenthals jüngerem Bruder Gert, der später von den Nazis deportiert und ermordet wurde, war Frankenstein freundschaftlich verbunden.
Der Name des kleinen Bruders wurde an Rosenthals Sohn weitergegeben, der heute in Berlin als Rechtsanwalt arbeitet. Er ist mit der Geschichte seines Vaters aufgewachsen und weiß: »Es gibt viele Dinge, die sich mein Vater von ganzem Herzen gewünscht hat und die er nicht mehr miterleben konnte. Hierzu gehört auch die Ehrung der Frauen, die ihm völlig uneigennützig das Leben gerettet haben«, erzählt Gert Rosenthal und ist sich sicher: »Er hätte es spitze gefunden.« Denn dieser Spruch und der Hüpfer in die Luft sind untrennbar mit dem Showmaster und seiner ZDF-Sendung »Dalli Dalli« verbunden, die Hans Rosenthal zu einer der beliebtesten Fernsehshows im deutschen Fernsehen machte.
»Ida Jauch hat die Welt von Hans Rosenthal gerettet. Meine Welt hätte ohne sie gar nicht begonnen«, sagt der Sohn Rosenthals und hofft, dass Ida Jauch auch »in der heutigen Zeit, in der Flüchtlinge unsere Hilfe benötigen, ein leuchtendes Beispiel« geben wird. »Wenn mein Vater heute mit dem Satz zitiert wird, ›Man muss die Menschen lieben‹, dann hat Ida Jauch daran einen großen Anteil.« Sie gab Rosenthal damals als ihren Neffen aus.
Selbstlos Jauchs Großneffe, Manfred Jahn, der am Montag gemeinsam mit seiner Familie nach Berlin gekommen war, nahm die Auszeichnung entgegen. Mit der Kenntnis der selbstlosen Leistung seiner Großtante und der Bedeutung ihres Handelns war Jahns Botschaft deutlich: »Wehret den Anfängen! Um keine Wiederholung zuzulassen, müssen wir Demokraten auch in schwierigen Phasen wachsam sein und uns aktiv gegen Rassismus und Antisemitismus öffentlich positionieren.«
Jahn erzählte, dass er über viele Jahre seinen Kindern, Verwandten und Freunden vom »äußerst couragierten Vorgehen« seiner Großtante erzählte. Er berichtete, dass sie mit Rosenthal ihre karge Essensration teilte, ihm jeden Tag die »Morgenpost« brachte und ihm ein Radio gab – der Anfang einer Leidenschaft, die Rosenthal bis heute unsterblich macht.