Die liberale jüdische Gemeinde in Unna begeht die erste Schabbatfeier in der neuen Synagoge. Das Haus ist voll, denn auch nichtjüdische Freunde der Gemeinde sind gekommen, um den ersten Gottesdienst in einer Synagoge in Unna seit der Pogromnacht 1938 zu erleben. Anschließend würdigt Rabbinerin Natalia Verzhbovska das Lebenswerk der Gemeindevorsitzenden Alexandra Khariakova, die sie als »Mutter der Gemeinde« und des Hauses bezeichnet. Zum herzlichen Applaus betritt die kleingewachsene Frau sehr bewegt die Bühne, zündet die Kerzen an und sagt den Segensspruch. Anschließend lädt sie alle zum Kiddusch ein.
Als Khariakova mit ihrem Mann und den beiden Kindern 1995 in Unna ankam, verbrachte die Familie die erste Zeit im Auffanglager in der Nähe von der heutigen Synagoge. Damals wusste sie über das Judentum nur, dass Juden in der Ukraine unerwünscht waren. Khariakova trat der jüdischen Gemeinde im benachbarten Dortmund bei, lernte Deutsch und beschloss, anderen Juden, die nach Unna kamen, bei der Integration zu helfen. Deswegen gründete sie gemeinsam mit nichtjüdischen Freunden 2003 den »Jüdisch kulturell-integrativen Verein Stern Unna«.
Deportation 1942 waren die letzten Juden vom Altersheim in den Tod deportiert worden. An diese Geschichte erinnerte die Ausstellung »Jüdisches Leben wieder in Unna« 2006 im Stadtmuseum. Bei ihrer Eröffnung wünschte sich Khariakova, dass bald Juden gemeinsam mit nichtjüdischen Freunden den Schabbat in Unna feiern könnten. Das gelang nach der Gründung der liberalen jüdischen Gemeinde »HaKochaw« (der Stern) bereits 2007, heute hat sie 120 Mitglieder. Anfangs fuhren sie 25 Kilometer zur nächsten jüdischen Gemeinde in Dortmund, später begannen sie, den Schabbat und die jüdischen Feste in Räumen der katholischen Gemeinde St. Katharina in Unna zu feiern.
Der Kirchenkreis überließ der jüdischen Gemeinde ihr Gebäude.
Als die evangelische Kirche gegenüber dem Auffanglager entweiht wurde, beschloss der Kirchenkreis, das Gebäude der jüdischen Gemeinde kostenlos zu geben. Nach aufwendigen Umbauarbeiten strahlen nun ein Davidstern vom Turm und die bunten Fenster im großen Gebetsraum, die in sich die Farben der zwölf Stämme Israels vereinen. Diese Farben leuchten auch vom Toraschrank. Ein aus kleinen Lämpchen bestehender Sternenhimmel über der Bima stellt die Sternenkonstellation am Eröffnungstag dar.
Quincy Beim feierlichen Einzug liefen einige Männer und Frauen unter einem Baldachin, vorneweg Gemeindevorsitzende Khariakova, die eine schwere Torarolle trug. Neben ihr Carla Gordon, deren Eltern aus Deutschland stammen und die heute in Amerika lebt. Ihrer Gemeinde in Quincy im Bundesstaat Illinois hatte sich wegen Mitgliederschwunds aufgelöst. Durch die Vermittlung von Irith Michelsohn, Generalsekretärin der Union progressiver Juden in Deutschland, der die Gemeinde in Unna angehört, kam es zur transatlantischen Schenkung der Torarolle. »Unsere Gemeinde schloss im Mai, und ich freue mich sehr, dass so bald hier eine neue Tür eröffnete«, sagt Gordon.
Das Grußwort des Zentralrats überbrachte Vizepräsident Abraham Lehrer.
Der Umzug wurde von einem Bläserchor begleitet. Die Musiker spielen zu ehren der christlichen Gäste, die wesentlich zur Eröffnung der Synagoge beigetragen haben, »Großer Gott, wir loben Dich«. Das Grußwort des Zentralrats der Juden in Deutschland überbrachte bei der Eröffnungsfeier Vizepräsident Abraham Lehrer.
Energie Die Eröffnung der Synagoge ist vor allem Alexandra Khariakova Verdienst, betonte die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bauen und Gleichstellung in Nordrhein-Westfalen, Ina Scharrenbach (CDU). »Sie sind von der Körpergröße nicht sehr groß, aber Sie haben unsinnig viel Kraft und Energie. Und damit haben Sie alle angetrieben in der Frage, aus diesem Gebäude eine Synagoge zu machen.«
Khariakova selbst hat bereits ein neues Ziel: den jüdischen Friedhof in Unna wieder zu öffnen. Der stillgelegte Friedhof gehört dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe, der zwar einverstanden ist, ihn an Unna zurückzugeben, aber ein Vertrag steht noch aus, und die Gemeindemitglieder aus Unna, die einen liberalen Giur vollzogen hatten, müssen auf einem christlichen Friedhof beigesetzt werden.