Integration, Bildung und Religion sind für Philip Murphy die drei tragenden Säulen in der Erziehung von Kindern. Murphy, der seit einem knappen Jahr in Berlin residierende US-Botschafter, empfindet es daher als »große Ehre«, wie er in deutscher Sprache betont, dass er das Zentrum der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW) in Stuttgart besuchen darf.
Dort trifft er auf eine »sehr lebendige jüdische Gemeinde«, die von 700 Mitgliedern zu Beginn der 90er-Jahre durch den Zuzug aus Osteuropa auf heute 3.100 Mitglieder angewachsen ist und, so die IRGW-Vorstandssprecherin Barbara Traub stolz, alle Generationen umfasst. Vom Kleinkind über Jugendliche bis hin zu den Senioren. Genau das liebt Murphy, dass alle Altersklassen willkommen sind.
Programm Natürlich ist der Ex-Banker in seiner neuen Funktion als Botschafter nicht allein wegen der jüdischen Gemeinde nach Stuttgart gekommen. Im Mittelpunkt stehen politische Gespräche mit Ministerpräsident Stefan Mappus. Doch das US-Generalkonsulat in Frankfurt hatte dem 53-jährigen Katholiken ein maßgeschneidertes Programm zusammengestellt. Vor dem Besuch der jüdischen Gemeinde hatte er sich beim Deutsch-türkischen Forum über das »Big brother and big sister«-Programm informiert und abends mit Stipendiaten der Bosch-Stiftung diskutiert.
Über das »Stuttgarter Lehrhaus«, eine Stiftung für interreligiösen Dialog von Juden, Christen und Muslimen, informiert den Botschafter der IRGW-Ehrenvorsitzende Meinhard Tenné. Vom IRGW-Zentrum kann sich Philip Murphy mit eigenen Augen ein Bild machen. Je nach Laune reagiert er mit »fantastic« oder »fantastisch«, als er die vor zwei Jahren eröffnete Grundschule betritt, den Kindergarten besucht oder in der Synagoge Schüler aus Tübingen und Böblingen beim Unterricht trifft. »Beautiful« stuft er die im Foyer hängenden Pläne für eine Synagoge in Ulm ein.
botschaft Die Zeit drängt. Ministerpräsident Mappus wartet schon auf den amerikanischen Botschafter. »Alles gut?«, wirft Murphy noch rasch fragend in die Runde der beim Mittagessen versammelten Kinder. Mit einem Buch über die jüdische Gemeinde in Württemberg und einem koscheren Wein aus Israel verabschiedet sich Barbara Traub vom hohen Gast. Die Kippa, die er noch vom Besuch der Synagoge auf dem Kopf trägt, darf Philip Murphy als Gastgeschenk behalten. »Auf Wiedersehen in Stuttgart« lautet die Botschaft an den Botschafter aus Berlin.