Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, ist am vergangenen Freitag mit dem Europäischen Karlspreis der Sudetendeutschen Landsmannschaft ausgezeichnet worden. Damit steht die Frau an der Spitze der IKG in einer Reihe mit bedeutenden Persönlichkeiten wie Alfons Goppel, Franz Josef Strauß, Edmund Stoiber, Max Mannheimer und Horst Seehofer. Die Auszeichnung wird seit 1958 jährlich vergeben.
Der Vorsitzende der Sudetendeutschen Landsmannschaft, der Europapolitiker Bernd Posselt, würdigte in seiner Laudatio den unermüdlichen Einsatz von Charlotte Knobloch gegen Nationalismus, Populismus und jede Form von Extremismus. Damit zähle sie »zu den herausragenden Baumeistern unserer Demokratie sowie der europäischen Einigung«.
Der Sprecher der »Sudetendeutschen« bezeichnete die IKG-Präsidentin als »positive Leitfigur unseres Gemeinwesens, die völkerverbindend und zusammenführend« agiere. Dabei hätte sie, so Posselt, vor dem Hintergrund des Holocaust allen Grund, verbittert zu sein. Posselt sagte in diesem Zusammenhang: »Sie hat im Gegensatz dazu durch die Errichtung eines weithin ausstrahlenden Jüdischen Zentrums in München ein Zeichen des Vertrauens in die Zukunft gesetzt, für das auch wir Sudetendeutsche als Vierter Stamm Bayerns zutiefst dankbar sind.«
Charlotte Knobloch sprach die besondere Verantwortung an, die aus der Vergangenheit für jeden Einzelnen erwachse.
rede Charlotte Knobloch sprach in ihrer Dankesrede im Alten Rathaus in Regensburg die besondere, von allen gemeinsam zu tragende Verantwortung an, die aus der Vergangenheit für jeden Einzelnen in der Gesellschaft erwachse. Diese Verantwortung müsse auch für eine Politik gelten, die Freiheit und Sicherheit gegen ihre Feinde verteidige und Offenheit, Toleranz, Verständigung sowie Zusammenarbeit der Völker in ihren Mittelpunkt stelle.
»Es ist diese gemeinsame Verantwortung, die dafür sorgen muss, dass unsere Gesellschaft und die Parlamente, die sie abbilden, nicht in die Hände derjenigen fallen, die nur die Fehler der Vergangenheit wiederholen wollen«, erklärte sie mit Blick auf die AfD und wachsenden Nationalismus.
Alle Festredner charakterisierten die diesjährige Trägerin des Karlspreises als große Persönlichkeit. Der Beauftragte der Bundesregierung für Zivilfragen und nationale Minderheiten, Bernd Fabritius, hob besonders hervor, dass Charlotte Knobloch nie aufgegeben habe, für eine bessere Welt und eine offene Zivilgesellschaft zu kämpfen. Ein hohes Maß an Respekt gegenüber der Lebensleistung von IKG-Präsidentin Knobloch sprach auch aus den Worten der Regensburger Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer. An die Preisträgerin gerichtet, sagte sie: »Sie verkörpern für mich in einzigartiger Weise Versöhnung.«
versöhnung Begriffe wie Versöhnung und Verständigung in Zusammenhang mit dem Karlspreis der Sudetendeutschen gehörten auch zum Vokabular von Sylvia Stierstorfer, der Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung für Aussiedler und Vertriebene. Sie nannte Charlotte Knobloch »eine glühende Europäerin«, die sich um die Verständigung der Völker Mitteleuropas verdient gemacht habe.
Für einen besonders ergreifenden, ans Herz gehenden Moment der Veranstaltung sorgten die Festgäste. Um die neue Trägerin des Europäischen Karlspreises zu ehren und den Respekt vor ihrer Lebensleistung zum Ausdruck zu bringen, erhoben sie sich von ihren Plätzen und spendeten anhaltenden Applaus. Charlotte Knobloch, die schon viele Auszeichnungen entgegengenommen hat, zeigte sich deutlich ergriffen. »Diese Auszeichnung«, sagte sie, »bedeutet sehr viel für mich, da ich mich so sehr mit den Zielen des Preises identifiziere.« Der Karlspreis wird an Personen verliehen, die sich um eine gerechte Völkerordnung in Europa verdient gemacht haben.
Der Preis ehrt Personen, die sich um eine gerechte Völkerordnung in Europa verdient gemacht haben.
Diesen Aspekt hatte bei seiner Rede auch Daniel Herman, der ehemalige Kulturminister der Tschechischen Republik, vor seinem geistigen Auge. »Wir dürfen unsere Chancen nicht vergeben. Wir müssen nun gemeinsam am europäischen Haus bauen«, sagte er und dürfte damit auf der gleichen Wellenlänge wie die neue Preisträgerin liegen, der Verständigung über alle Grenzen hinweg ein Grundbedürfnis ist.
annäherung Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und des Nationalsozialismus war Verständigung mit der deutschsprachigen, in Böhmen und Mähren lebenden Bevölkerung nicht möglich. Drei Millionen Sudetendeutsche wurden von dort vertrieben. Daniel Herman erinnerte an das jahrzehntelange schwierige Verhältnis, freute sich aber auch über die inzwischen erfolgte deutliche Annäherung zwischen Deutschland und der ehemaligen Tschechoslowakei.
Ein Beleg, der das untermauerte und ganz dem Anlass des Tages entsprach: Das alljährliche Pfingsttreffen der Sudetendeutschen, in dessen Rahmen die Preisverleihung an Charlotte Knobloch erfolgte, stand unter der Schirmherrschaft des bayerischen Ministerpräsidenten.