Nachruf

Eine echte Berlinerin

Ester Golan ist am 7. April in ihrem Haus in Jerusalem gestorben. Das teilte ihr Sohn Dan Golan mit. Ihre Identität hatte die 89-Jährige als Jüdin, Zionistin und Schoa-Überlebende beschrieben. Obwohl sie als Kind nur sieben Jahre die Volksschule in Berlin besucht hatte, studierte Golan im Erwachsenenalter Sozialpädagogik und Erziehungswissenschaften in Israel, schrieb Gedichte und Artikel, malte Bilder und engagierte sich politisch.

Untätigkeit mochte sie nicht. Noch im hohen Alter lernte sie den Umgang mit dem Computer und hatte ihre eigene Homepage, auf der sie regelmäßig Texte veröffentlichte. In Israel engagierte sich Golan in interreligiösen und interkulturellen Begegnungen und war eine gefragte Gesprächspartnerin für deutsche Volontäre der »Aktion Sühnezeichen Friedensdienste«. Auch nach Berlin kam Ester Golan, um als Zeitzeugin zu sprechen.

Kindertransport 1923 wurde sie als Ursula Dobkowsky in Glogau (Schlesien) geboren. Ihre Eltern zogen 1937, durch die Weltwirtschaftkrise finanziell in Mitleidenschaft gezogen, mit ihren drei Kindern nach Berlin-Schöneberg in die Courbièrestraße. Verzweifelt suchten sie für sich und die Kinder einen Ausweg aus Deutschland, was nicht mehr glückte. Schließlich gelangte Ester im März 1939 mit einem der von Recha Freier initiierten Kindertransporte nach Schottland. Ihre Biografie wurde in dem Buch Aus Kindern wurden Briefe festgehalten und im Centrum Judaicum bei einer Ausstellung 2004 präsentiert.

»Meine Eltern hatten den Mut, die Kinder fremden Händen zu übergeben, damit sie eine Überlebenschance erhielten«, betonte Ester Golan einmal. Ihnen selbst jedoch blieb jeder Ausweg versperrt. Bis zur Deportation standen sie in engem Kontakt. Die Briefe ihrer Eltern, in denen der Kampf um einen Weg aus Deutschland geschildert wird, hat Ester in ihrem Buch Auf Wiedersehen in unserem Land veröffentlicht.

Beruf 1945 kam Ester Golan in Haifa an, wo sie heiratete und eine Tochter und zwei Söhne bekam. In dieser Zeit sei sie noch nicht »stabil« gewesen, wie sie sich selbst beschrieb. Auf gar keinen Fall wollte sie als Ehefrau ein »graues Mäuschen« sein und einfach das tun, was ihr Mann von ihr erwartete. Sie wollte zur Schule gehen, einen Beruf ergreifen, Geld verdienen, ihr Leben selbstbestimmt und ihren Begabungen entsprechend leben, sagte sie. Später bekam sie Enkel und Urenkel.

Ihr Mann starb 1995. Ester Golan wünschte sich, als fröhliche, aktive und kreative Frau in Erinnerung zu bleiben.

Frankfurt/Main

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