Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat einen »politischen Klimawandel« in Deutschland gefordert. »Dem Rechtsruck müssen wir Einhalt gebieten«, sagte Schuster am Freitag bei der Feier zum 60. Jahrestag der Wiedereröffnung der Kölner Synagoge.
Schuster verwies auf wachsenden Antisemitismus, die Anfeindung von Rabbinern, Angriffe auf Synagogen, eine steigende Zahl rechtsextremistischer Straftaten und die Ergebnisse der jüngsten Landtagswahlen.
MEDIENBERICHTE Schuster kritisierte auch »Ausrutscher« in der Medienberichterstattung über Israel und das Judentum. Als Beispiele nannte er etwa einen »Spiegel«-Artikel über angeblich vom israelischen Geheimdienst Mossad gesteuerte jüdische Lobbygruppen in Deutschland oder eine Karikatur von Facebook-Chef Mark Zuckerberg.
Wenn sich solche Ausrutscher häuften, »dann müssen wir uns fragen, wie tief uralte judenfeindliche Stereotype auch in den Köpfen von Journalisten stecken, die dann unreflektiert Eingang in die Publikationen finden«, betonte Schuster.
Zentralratspräsident Schuster kritisierte »Ausrutscher« in der Medienberichterstattung über Israel und das Judentum.
Im Kampf gegen den Antisemitismus und für eine tolerante Gesellschaft komme neben staatlichen Behörden, Polizei, Justiz, Kirchen und Medien vor allem den Schulen eine Schlüsselrolle zu, sagte der Zentralratspräsident. Alle Schülerinnen und Schüler sollten ein fundiertes Wissen über den Nationalsozialismus erhalten.
Zugleich dürfe das Judentum in der Schule aber nicht nur in diesem historischen Zusammenhang vorkommen, mahnte Schuster. »Jugendliche lernen Juden dann ausschließlich als Opfer kennen.« Ziel müsse es sein, die jüdische Religion, Kultur und Geschichte breiter und positiver als bislang zu vermitteln und die Lehrkräfte entsprechend fortzubilden.
ROONSTARSSE Die Synagoge in der Roonstraße in der Kölner Innenstadt wurde nach Angaben der Synagogen-Gemeinde Köln im Jahr 1899 eröffnet. Nach einer wechselvollen Geschichte wurde sie in der Pogromnacht am 9. November 1938 zerstört.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie nach Plänen des Architekten Helmut Goldschmidt an gleicher Stelle und mit der gleichen äußeren Fassade wieder aufgebaut und am 20. September 1959 neu eröffnet. Die Synagogen-Gemeinde Köln ist heute mit rund 5000 Mitgliedern eine der größten jüdischen Gemeinden Deutschlands.
Nach 1945 wurde die Synagoge nach Plänen des Architekten Helmut Goldschmidt wieder aufgebaut.
Anlässlich der Wiedereröffnung der Synagoge am Freitag würdigte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet die jüdischen Gemeinschaften in Deutschland als Bereicherung für die Gesellschaft. »Wir müssen die florierende Kultur aber angesichts des steigenden Antisemitismus weiter schützen«, sagte der CDU-Politiker.
SIGNAL Von Gewalt und Anfeindungen gegen Mitglieder jüdischer Gemeinden gehe eine »alarmierende Signalwirkung« aus, so Laschet. »Das Eis ist dünn.« Vermehrte Übergriffe auf Juden könnten nicht hingenommen werden. »In Deutschland muss zu jeder Tages- und Nachtzeit Platz für die Kippa und ihre Träger sein.«
Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) erinnerte an die »Narben in der Geschichte, die erzählen und mahnen können«. Die Gemeinde in der Roonstraße habe nie die Hoffnung verloren und sei immer ein wichtiger Teil der Stadt gewesen. »Die Synagoge gehört zu Köln wie der Dom und der Rhein«, betonte Reker. Die Synagoge gehöre zu den Kölner Wahrzeichen schlechthin.
»Die Synagoge gehört zu Köln wie der Dom und der Rhein«, betont Oberbürgermeisterin Reker.
Zentralratspräsident Josef Schuster sprach von einer »ambivalenten« Situation: »Freude und Leid liegen gerade hier in Köln nah zusammen.« Einerseits seien die Gemeinden in der Bundesrepublik auf einem positiven Weg in die Zukunft. Andererseits werde das Klima in der Gesellschaft judenfeindlicher.
ALPEN Der Festakt am heutigen Freitag war ein Höhepunkt in der bewegten und fast 1700 Jahre alten Geschichte der Kölner Gemeinde, die als älteste in Europa nördlich der Alpen und in Deutschland gilt. Erstmals erwähnte der römische Kaiser Konstantin in einem Edikt aus dem Jahr 321 eine jüdische Gemeinde in Köln.
Die Juden konnten in Köln leben, bis sie 1423 vom Rat der Stadt verwiesen wurden. Erst unter französischer Besatzung durften sie 1798 zurückkehren. In den folgenden Jahrzehnten wurden mehrere Synagogen gebaut, darunter 1861 ein großer Komplex in der Glockengasse und 1899 das Gotteshaus an der Roonstraße im neo-romanischen Stil. ja/epd/kna
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