Hans-Jochen Vogel ist das politische Gesicht Münchens, ein Politiker mit Vorbildfunktion. Am Mittwoch vergangener Woche feierte der ehemalige Oberbürgermeister von München, kurzzeitig Regierender Bürgermeister von Berlin, Bundesminister, Partei- und Fraktionsvorsitzender (SPD), seinen 90. Geburtstag. Zu den vielen Gratulanten, die Münchens Ehrenbürger Respekt, Lob und Anerkennung für sein Lebenswerk und seine menschliche Haltung bekundeten, gehörte auch Bundespräsident Joachim Gauck.
Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, die ihm »von Herzen kommende Glückwünsche« übermittelte, bezeichnete Hans-Jochen Vogel als einen wahren Freund der Jüdischen Gemeinde. »Menschen wie Hans-Jochen Vogel«, ist die IKG-Präsidentin überzeugt, »haben mit ihrem Denken und Handeln den Weg geebnet, dass jüdische Menschen in Deutschland neues Vertrauen in diese Bundesrepublik gesetzt haben, in das Land und seine Menschen.«
mission »Nicht allein, dass wir blieben und dass das Judentum heute in Deutschland wieder eine Zukunft hat, ist ein wunderbar anmutender Segen der Geschichte«, so Charlotte Knobloch weiter. »Es ist vor allem auch ein Glück, dass wir wahre, verlässliche, tatkräftige, entschlossene Freunde – auch und ausgerechnet in jener Generation eines Hans-Jochen Vogel – gefunden haben.«
Knobloch hob zudem hervor, dass Vogel zu jenen Menschen gehört, die sich auf Vernunft und Menschlichkeit besonnen haben – und die beseelt waren von einer neuen politischen und gesellschaftlichen Mission. »Sie haben es sich zum Ziel gesetzt, die verheerende Ideologie des Hasses für immer zu bekämpfen und für Freiheitlichkeit, Demokratie und die Wahrung der Menschenrechte einzutreten. Immer und überall.«
Einen ähnlichen Blick warf Vizekanzler Sigmar Gabriel auf den Jubilar. Bei einer Festveranstaltung der SPD im Alten Rathaus betonte er, dass es das öffentliche Bild von Vogel als »pflichtbewussten Aktenfresser« gebe, aber deutlicher sehe er Vogels »große Leidenschaft für ein freies und demokratisches Land und für ein freies und demokratisches Europa«. Als oberlehrerhaft habe er ihn nie empfunden.
respekt An der Feierstunde, die einen Tag nach dem eigentlichen Geburtstag stattfand, nahmen viele politische Weggefährten und Repräsentanten teil: unter anderem Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder, Justizminister Heiko Maas, Umweltministerin Barbara Hendricks, SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller, der auch Vogels Verdienste um die deutsche Einheit und den Regierungsumzug von Bonn nach Berlin hervorhob. Heiko Maas erinnerte an den Umgang Vogels als Justizminister (1974–1981) mit den Terroristen der Roten Armee Fraktion. »Dass sich ein Rechtsstaat nicht erpressen lassen darf«, sagte Maas, »muss auch heute noch die Leitlinie sein.«
Die SPD hatte sich für die Feierstunde eine besondere Inszenierung überlegt. Sämtliche aktuelle und einige ehemalige Inhaber von Partei- oder öffentlichen Ämtern, die Vogel einmal innehatte, kamen zu Wort. So unterschiedlich ihre Betrachtungen auch ausfielen, der Respekt, den alle elf Redner dem »Geburtstagskind« und seinem Lebenswerk entgegenbrachten, war riesengroß.
Auch für IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch ist die Integrität Vogels unbestritten. »Sie haben das Wissen um die Unveränderbarkeit der Geschichte zum Motiv Ihrer politischen Arbeit gemacht. Ihr Ansporn war es, neues Unheil, neue Unmenschlichkeit zu verhindern. Nicht einen Tag haben Sie seither geruht. Niemals haben Sie gezögert, wenn es darum ging, aktiv das Gemeinsame zu fördern und die Spalter der Gesellschaft zu bekämpfen.«
Lehren In diesem Zusammenhang äußerte der Jubilar einen Wunsch, der angesichts zunehmenden Antisemitismus und Rassismus wichtiger denn je zu sein scheint: »Ich hoffe, dass unser Volk die Lehren unserer jungen Geschichte nie mehr vergisst.«
Etwas familiäreren Charakter hatte das Geburtstagsfest, das die Stadt München an Vogels eigentlichem Ehrentag organisiert hatte, ebenfalls im Alten Rathaus. Nur Familienangehörige und seine engen Freunde und Bekannten waren zu der Feier eingeladen. Einer, der an beiden Festlichkeiten teilnahm, war Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter. Mit einer kleinen Geste offenbarte er die tiefe Verbundenheit seiner Familie mit dem einstigen Mann an der Spitze Münchens.
Dieter Reiter hatte zu der Feier Vogels Buch Amtskette mitgebracht, das sich sein Vater, ein einfacher Angestellter der Stadtverwaltung, damals von Vogel signieren ließ und kurz vor seinem Tod an seinen Sohn weitergereicht hatte. »Mein Vater war unheimlich stolz darauf, dass ihm sein Hans-Jochen Vogel diese Unterschrift gegeben hatte«, erinnerte sich Reiter.
bescheidenheit Hans-Jochen Vogel wird am 2. März noch eine weitere Feier, diesmal der Münchner SPD, »überstehen« müssen. An seiner Bescheidenheit, für die er bekannt ist, wird auch die dritte Party nichts ändern. Ganz am Ende der großen Veranstaltung, die ihm zu Ehren ausgerichtet worden war, versuchte er sich an einer bescheidenen Selbsteinschätzung, die typisch für ihn ist: »Man hat sich bemüht.«
Charlotte Knobloch hat im Laufe ihrer Präsidentschaft Hans-Jochen Vogels Bedeutung für die jüdische Gemeinde immer wieder hervorgehoben. Zeichen der Wertschätzung ist unter anderem die Ohel-Jakob-Medaille, die höchste Auszeichnung, die die IKG zu vergeben hat und die dem Politiker vor zwei Jahren verliehen wurde.
Damals sagte Charlotte Knobloch den immer noch gültigen Satz: »Sie haben in all Ihren Funktionen das jüdische Leben in München, Bayern und Deutschland gefördert und beschützt. Wir alle tragen Verantwortung für die Welt, in der wir leben, für unser engstes Umfeld ebenso wie für die Menschen entfernter Kontinente. Sie haben ihre Verantwortung in herausragender, beispielhafter Weise wahrgenommen.«