Es ist ein sehr großes Ereignis für uns», sagt Malka Master, Mitglied der Jüdischen Gemeinde Offenbach. Neben weiteren Gemeindemitgliedern sowie Gästen aus Politik, Kirche und Stadtgesellschaft ist sie am Sonntagnachmittag ins Foyer des Offenbacher Rathauses gekommen.
Um einen Tisch hat sich eine Menschentraube versammelt, es wird fotografiert und gefilmt, man hört Hebräisch, Russisch und Deutsch. Am Tisch sitzt Josef Dan Hranowsky, ein Sofer aus Antwerpen. Er ist in Frankfurts östliche Nachbarstadt gereist, um eine Torarolle fertig zu schreiben.
«Dies ist das Werk von vielen in dieser Gemeinde und außerhalb», freut sich Rabbiner Mendel Gurewitz. Die Anschaffung der neuen Torarolle wurde durch Spenden ermöglicht. Zum ersten Mal seit der Schoa werde in Offenbach eine neue Tora geschrieben, sagt Gurewitz. Bei der späteren Feierstunde in der Synagoge wird er von einem historischen Tag für die Stadt sprechen.
Tinte Doch noch ist es nicht soweit. Mit einer Feder und schwarzer Tinte müssen noch einige hebräische Buchstaben, deren Konturen schon gesetzt sind, ausgefüllt werden. Immer wieder ruft Rabbiner Gurewitz Gemeindemitglieder und Gäste auf, dem Sofer zu assistieren. Derweil hallen Gitarren-, Akkordeon- und Klarinettenklänge durch das Rathausfoyer. Viele Kinder laufen durch die Räume.
Gegen 16 Uhr erklingt ein Schofar. Mendel Gurewitz ruft einen Besucher auf, den letzten Buchstaben der Tora zu schreiben. «Masal Tov!», ruft Gurewitz kurz darauf. Nun müssen die zuletzt geschriebenen Buchstaben noch trocknen. Wenig später ist es soweit: Die neue Torarolle wird hochgehoben und in einen Mantel gekleidet. Sie bekommt eine Krone und wird unter einer Chuppa aus dem Rathaus getragen.
Von Musik, Gesang und Tanz begleitet, setzt sich die Prozession zur nahe gelegenen Synagoge in Bewegung. Unter den neugierigen, manchmal verdutzten Blicken von Passanten passiert die Prozession den Büsing-Park, dessen Wege nach den Offenbacher Rabbinern Max Dienemann und Salomon Formstecher sowie der 1935 von Dienemann ordinierten Rabbinerin Regina Jonas benannt sind. Nach etwa 20 Minuten erreicht der Umzug die 1956 eingeweihte Offenbacher Synagoge. Sie befindet sich in direkter Nachbarschaft zum «Capitol», einem heute als Konzerthalle genutzten Bau, der 1916 als Synagoge eingeweiht und 1938 geschändet, aber nicht völlig zerstört wurde.
Segensspruch Sieben Mal wird die Bima der Offenbacher Synagoge umkreist, bevor die neue Tora neben drei älteren Rollen ihren Platz im Toraschrein findet. Der Frankfurter Kantor Yoni Rose eröffnet die Feierstunde mit dem Segensspruch «Schehechijanu». In seiner Ansprache dankt Rabbiner Mendel Gurewitz seiner Frau Rivkah für die Initiative zur Anschaffung der neuen Torarolle.
Alfred Jacoby, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Offenbach, dankt wiederum dem Gemeinderabbiner: «Dein Denkmal wird diese Torarolle sein.» Jacoby erinnert an Übergriffe auf Gurewitz durch Jugendliche und würdigt dessen Entschluss, in Offenbach zu bleiben.
Zu den Festrednern gehören Hessens Sozialminister Stefan Grüttner (CDU), Mark Dainow, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland (und Offenbacher), sowie Jakob Gutmark, Vorsitzender des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden in Hessen.
Als landesweit erste Synagoge nach der Schoa sei die Offenbacher Synagoge ein beispielhafter Ort, sagt Oberbürgermeister Felix Schwenke. «Wir sind heute stärker als der Hass», betont der SPD-Politiker. Bevor der Abend mit einem Fest im Gemeindesaal ausklingt, trägt Yoni Rose ein weiteres Gebet vor. Sein mitreißender Gesang passt zum besonderen Anlass.