Jubiläum in Pforzheim

Ein offenes Haus

Fröhlich lachen Groß und Klein auf den Bildern der Purimfeiern. Auch die Aufnahmen vom Festessen an langen Tafeln und von Konzerten zeigen strahlende Menschen. Konzentrierte Mienen dokumentieren die Fotos vom Gebet oder Schachturnier. Die kleine Ausstellung im Pforzheimer Gemeindezentrum lässt keinen Zweifel daran: Die 400 Mitglieder starke Jüdische Gemeinde hat ein Zuhause gefunden in der Synagoge, die vor zehn Jahren eröffnet wurde. Ein Jubiläum, das sie nun beging – drei Tage lang, mit Gottesdienst, mit Gebeten, einem festlichen Essen und einer stimmungsvollen Feier, die zum rauschenden Fest wurde.

Gemeindevorsitzender Rami Suliman, der auch Vorsitzender des Oberrats der Israeliten Badens (IRG) ist, sprach von einem sehr freudigen Anlass, zu dem sich an diesem Sonntag rund 250 Gäste versammelten. Die Synagoge sei der Mittelpunkt des jüdischen Lebens in Pforzheim. »Sie ist zu unserem Heim geworden. Und es ist ein offenes Haus für alle, von dem aus wir Brücken zu anderen Menschen bauen«, sagte Suliman.

Offenheit und der Dialog auch mit den christlichen Kirchen und Muslimen sind ihm Herzensangelegenheit. Pforzheims Oberbürgermeister Gert Hager (SPD) bezeichnet dieses Miteinander als vorbildlich. Die Synagoge sieht der Rathauschef als Beleg dafür, dass das Böse in Deutschland nicht obsiege. Und jüdisches Leben sei in Deutschland und in Pforzheim etwas ganz Selbstverständliches.

Gemeindehistorie Die jüdische Geschichte in der Stadt reicht sehr weit zurück. Sie ist nur in Bruchstücken bekannt, doch es gilt als gesichert, dass sie über 700 Jahre umfasst. Im Jahr 1892 weihte die Gemeinde ein von Ludwig Levy im maurisch-gotischen Stil konzipiertes Bethaus ein. Das jüdische Leben blühte. 1927 hatte die Gemeinde 1000 Mitglieder.

Dann folgte das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte. In der Pogromnacht zündeten SA-Männer in dem Gotteshaus Handgranaten. Am 22. Oktober 1940 wurden die 195 in der Stadt verbliebenen Mitglieder der Gemeinde ins südfranzösische Lager Gurs deportiert. Nur 55 von ihnen überlebten die folgenden Schrecken, darunter Ephraim Jessner, der – heute 92 Jahre alt – zum Zehnjährigen der Synagoge eigens aus New York angereist war.

Nach der Schoa dauerte es, bis die Gemeinde – die bis in die 90er-Jahre offiziell Teil der Gemeinde Karlsruhe war – wieder wuchs. Doch es wanderten Israelis zu, auch Polen, später zahlreiche Menschen aus der Sowjetunion. 1961 bezog die Gemeinde ein erstes Zentrum in einer Privatwohnung. In den 90er-Jahren wurde ein Betsaal in einem Haus am Pforzheimer Marktplatz eingerichtet. Es folgte ein weiterer Umzug innerhalb der Stadt. Und dann war er da, der Wunsch, ein richtiges Heim zu beziehen.

Im September 2001 gründete sich der Verein ProSynagoge Pforzheim, der große Unterstützung durch die damalige Rathausspitze erfuhr. 2004 fand sich die passende Immobilie, ein dreistöckiges Gebäude, es handelte sich um die ehemalige Landeszentralbank (LZB).

Bis 2006 dauerte der Umbau nach Plänen des Architekten Nathan Schächter, es entstanden ein Gemeindezentrum, eine Synagoge, eine Schule und Verwaltungsräume. »Die Gemeinden der IRG haben auf Mittel verzichtet und so bei der Finanzierung geholfen«, erzählt Suliman, der dafür seinen Dank aussprach. Zur Eröffnung im Januar 2006 reisten der damalige Ministerpräsident Günther Oettinger und der ehemalige aschkenasische Oberrabbiner Israels, Israel Meir Lau, an.

Freude und Sorge Pforzheims OB Hager versicherte rückblickend, die Bilder der Einweihung hätten sich in sein Herz eingebrannt.

Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Abraham Lehrer, sagte in seinem Grußwort: »Es ist eine ganz besondere Freude, dass in den zurückliegenden Jahrzehnten überall in Deutschland wieder Synagogen eröffnet wurden.«

Sie seien das sichtbarste Zeichen für das wiedererstarkte jüdische Leben in Deutschland. Eine neue Synagoge sei ein Zeichen des Vertrauens. Eine jüdische Gemeinde, die den Mut fasst, eine neue Synagoge zu bauen, sage damit: »Wir vertrauen dem Land, in dem wir leben. Wir vertrauen darauf, dass wir hier eine Zukunft haben. Wir möchten in diesem Land leben.«

Eine neue Synagoge sei wie eine Hand, die zur Versöhnung ausgestreckt werde, so Lehrer, der jedoch auch nachdenkliche und besorgte Worte fand. Wer die Hoffnung hatte, Synagogen und andere jüdische Einrichtungen in Deutschland kämen einmal ohne Polizeischutz aus, sei eines Besseren belehrt worden.

»Ebenso haben uns 2014 die anti-israelischen Demonstrationen in Berlin, Frankfurt oder im Ruhrgebiet verunsichert.« Lehrer fragte: »Ist es angesichts dieser sehr frischen Erinnerungen so verwunderlich, dass wir skeptisch sind, wenn sehr viele Menschen nach Deutschland kommen, die aus Ländern stammen wie Syrien oder dem Irak, Ländern, die seit Jahrzehnten mit Israel tief verfeindet sind? Wir sind die Letzten, die Grenzen schließen oder Verfolgten keine Zuflucht geben wollen. Wir sehen aber auch: Die Integration der Flüchtlinge in unser Wertesystem und in unsere demokratischen Grundregeln wird eine große Herausforderung!«

Gesellschaft Auch Pforzheims Oberbürgermeister zeigte sich besorgt, in welche Richtung Deutschland politisch steuert. Zudem sprachen die Bundestagsabgeordneten Katja Mast (SPD) und Gunther Krichbaum (CDU) sowie der frühere Württembergische Landesrabbiner Joel Berger.

Gemeindevorsitzender Rami Suliman versicherte: »Wir stehen fest in der Pforzheimer Gesellschaft und fühlen uns wohl.« Dabei habe die Gemeinde noch einige Pläne, den Bau einer Mikwe und einer Trauerhalle zum Beispiel. Und Plätze für betreutes Wohnen wolle man unter dem Dach des Gemeindezentrums einrichten.

Am vergangenen Sonntag aber wurde erst einmal so richtig gefeiert. Es gab Sekt und Häppchen. Und gute Musik: Eigens aus Israel eingeflogen wurden »Soul Key«, fünf Kantoren, die mit ihren Stimmen die Besucher der Gottesdienste verzauberten und beim Festakt die Gäste mitrissen. Auch dann, als sie zusammen mit dem Chor der Gemeinde auf der Bühne standen. Und lange nachdem alle Reden gehalten waren, wurde noch gefeiert. Es wurde viel getanzt und gelacht. Und die Gemeinde Pforzheim bewies einmal mehr, dass ihr Heim ein offenes Haus ist.

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