Das Münchner Lyrik Kabinett und das Kulturzentrum der IKG haben die österreichische Dichterin Ilse Aichinger mit einer Hommage zu ihrem 90. Geburtstag geehrt. Mit der Kombination aus Lesung und damit verbundener Einführung in Aichingers Werk gelang den Organisatoren eine ideale Darbietung zum Verständnis der oft scheinbar rätselhaften, mit Zeitsprüngen und immer wieder korrespondierenden Bildern arbeitenden Gedichten.
Originalaufnahme Zu Beginn war Aichinger selbst zu hören: Der Bayerische Rundfunk hatte Aufnahmen aus verschiedenen Jahren für diese Veranstaltung zur Verfügung gestellt. Dann trug Sabine Kastius ihre Werke vor, begleitet von den Erläuterungen durch die Literaturprofessorin Christine Ivanovic.
Aichingers Biografie findet immer wieder Eingang in ihre Gedichte. Gleich beim ersten des bei Fischer (Frankfurt 1991) mit Ergänzungen wiederaufgelegten Gedichtbandes wird dies deutlich: Gebirgsrand. Was Ilse Aichinger dort beschreibt, sind keine konventionellen Jäger, die am Morgen vom Gebirge hinabsteigen. Es sind die Träume, die sie ein Leben lang jagen, die Erinnerung an die Zeit der Schoa, der die Großmutter zum Opfer fiel.
Beobachterin Die ermordete Großmutter und die eigene Angst aus dieser Zeit tauchen immer wieder, verborgen in scheinbaren Naturerlebnissen, auf. Ilse Aichinger, so die Veranstalter, hat ihr Leben lang nicht aufgehört, die Zeit zu beobachten und zu befragen. Das zeigten auch unveröffentlichte Gedichte, die an diesem Abend vorgetragen wurden: »Es wird noch mehr werden als zwölf, wenn es auch mehr als zwölf so recht nicht werden kann. Es wird dann eins.«