Ein Klick, und man kann die Definition von Antisemitismus nachlesen: »Antisemitismus ist«, so die verbindliche Erklärung der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA), »eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann.« Weitere Klicks liefern den Text des Grundgesetzes und der Menschenrechtserklärung als Wissensgrundlage, ehe Informationen über Organisationen, Institutionen und Projekte folgen, die den Kampf gegen Antisemitismus unterstützen.
Das alles bietet die Website »Stuttgart aktiv gegen Antisemitismus«, mit der die Landeshauptstadt von Baden-Württemberg ein starkes Zeichen gegen die zunehmende Hetze gegen Juden setzt – zeitgemäß online kommuniziert, um in erster Linie Jugendliche zu erreichen und für dieses Thema zu sensibilisieren. Aber auch Erwachsene sind angesprochen.
»Diese Seite ist bundesweit einmalig, nachhaltig und stärkt uns als Gemeinde den Rücken«, betont Barbara Traub.
»Diese Seite ist bundesweit einmalig, nachhaltig und stärkt uns als Gemeinde den Rücken«, betont Barbara Traub, als die Seite im Stuttgarter Rathaus freigeschaltet wird. Sie hat viele geistige Mütter und Väter, als Träger fungiert das Forum jüdischer Bildung und Kultur, dem Traub, Vorstandssprecherin der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW), ebenfalls vorsteht.
Pogromnacht Idee und Verwirklichung der Website gehen auf das Gedenken zum 80. Jahrestag derPogromnacht von 1938 im letzten Jahr zurück: Da appellierten der »Lernort Geschichte« der Stuttgarter Jugendhaus Gesellschaft und der Stadtjugendring zusammen mit der IRGW und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (GCJZ) an Stuttgarter Schulen, dieses historische Datum, das den Beginn des Holocaust markiert, in Projekten zu thematisieren.
»Erst kam keine einzige Reaktion«, erinnert sich Beate Müller von der Jugendhaus Gesellschaft an ihre Enttäuschung. Doch dann waren es mehr als 4000 Jugendliche aus verschiedenen Schulen, die sich mit Ausstellungen, Theaterstücken, Filmen, Spurensuche mit Zeitzeugen und auf Stadtspaziergängen, Gedenkveranstaltungen und Diskussionen beteiligt und politisches Bewusstsein gezeigt haben.
Denn mag auch die jüdische Gemeinde in Stuttgart so wenig wie in anderen Städten von antisemitischen Äußerungen und Vorfällen wie Grabschändungen verschont bleiben, die vielen und beispielhaften außerschulischen Angebote politischer Erziehung zu NS-Zeit und Holocaust für Jugendliche zeigen Wirkung. Der Funke hat gezündet. »Viele Schulen signalisierten die Bereitschaft, es nicht bei dem einen Mal zu belassen, sondern auch künftig solche Projekte machen zu wollen«, kann Beate Müller berichten.
Viele Schulen wollen auch künftig
Projekte zu Antisemitismus machen.
»Zu allen Aktionen gehörte die Auseinandersetzung mit dem aktuellen und wiedererstarkenden Antisemitismus«, stellt Beate Müller fest. Diese Erfahrung und der Wunsch, die Ergebnisse festzuhalten, über den Gedenktag hinaus zu präsentieren und weiterhin gemeinsam gegen Antisemitismus aktiv zu sein, war die Geburtsstunde der neuen Website. Sie soll ständig weitergeführt werden, um aktuell über Aktionen und Projekte zu informieren und zu beraten.
Fotos Wer die Seite aufruft, findet als ersten Blickfang eine Art Schachbrett mit Fotos von Menschen, die im öffentlichen Leben der Stadt eine Rolle spielen und sich mit deutlichen Aussagen einbringen: »Gegen Antisemitismus zu kämpfen, heißt, für Menschlichkeit und Anstand einzutreten«, erscheint beim Klick auf Isabel Fezer, Bürgermeisterin für Jugend und Bildung und Vorsitzende der GCJZ.
»Engagieren Sie sich gegen Antisemitismus, Extremismus und Fremdenhass«, fordert der Bürgermeister für Sicherheit, Ordnung und Sport, Martin Schairer, auf. Und Søren Schwesig, Stadtdekan der Evangelischen Kirche Stuttgart, stellt klar: »Antisemitismus ist Gotteslästerung und verkennt, dass Jesus Jude war. Der Kampf gegen Judenhass bleibt die Verantwortung aller Christen.«
»Die Seite ist eine Plattform für Austausch und auch Auseinandersetzungen«, betont Isabel Fezer. Für sie sind Erwachsene genauso wichtige Adressaten. »Die Lehrer«, weiß sie dank ihrer Zuständigkeit für die Stuttgarter Schulen, »brauchen dringend Unterstützung.«